die taz vor elf jahren über den kulturkigge für nichtmuslime
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Peter Heine ist ein guter Mensch: verständnisinnig, betroffen, politisch korrekt. Peter Heine ist auch Professor für Islamwissenschaft. Und der beschlagene Gelehrte hat uns ein kreuzgescheites Buch geschrieben: „Kulturknigge für Nichtmuslime“. Zwei professorale Nachhilfestunden, glauben Heine und Herder-Verlag, und Sie sind fit für den multikulturellen Dialog, vermeiden Peinlichkeiten beim Reisen im Orient. Das ist dem Herrn Professor glänzend gelungen.

Der Muslim trägt Gebetskette, pflegt ein asiatisches Verhältnis zu Zeit und Terminen, überwacht Frau, Töchter, Tanten und Cousinen wie ein Paranoiker im letzten Stadium. Und er ist reizbar. Heines Warnung: Meiden Sie kontroverse Diskussionen! Seien Sie positiv! „Man bringt den Muslim sonst in die Zwangslage, [...] sich gegenüber dem Gast unhöflich zu verhalten.“ Und schon ist die orientalische Gastfreundschaft gemeuchelt.

Ebenfalls unbedingt vermeiden: Fragen Sie nie einen betenden Muslim nach der Uhrzeit, dem Weg zum Bahnhof, nach Sonderangeboten für Teppiche! Ziehen Sie die Schuhe beim Betreten der Moschee aus, packen Sie die Videokamera ein! Verabreden Sie sich nie während des Freitagsgebets! Sie riskieren nicht nur den ortsüblichen Verspätungszuschlag. Der Muslim wird gar nicht kommen. Vor allem aber: Lassen Sie ihn im Ramadan in Ruhe! „Auch die Muslime wissen es zu schätzen, wenn die Fremden im Ramadan verschwinden.“

Stünde es nicht schwarz auf weiß bei Heine, wir würden es nicht glauben: Der Orientale ist sauber! „In Fällen vollkommener ritueller Unreinheit“, zum Beispiel nach dem vollzogenen Geschlechtsverkehr, ist eine Ganzkörperwaschung fällig. Aha: Auch der Muslim wäscht sich und uriniert nur selten ins Spülbecken.

Wenn Sie eine Frau sind, haben Sie schlechte Karten. Europäerinnen, mahnt Heine, genießen keinen guten Ruf und geraten immer wieder in „schwierige Situationen“. Wundern Sie sich also über gar nichts! Rechnen Sie mit Ihrer Vergewaltigung!

Walter Saller, 23. 10. 1995