DIE WERBEPAUSE
: Der Nihilismus in dir

Ach, hätten sie mal auf Tina Turner gehört. Aber nein, stattdessen haben sie ein neues Heldentum kreiert. Ray-Ban-TrägerInnen, so suggeriert die Kampagne „Never Hide“ der Brillenfirma, sind nämlich „hart wie Leder“, „schneiden wie Stahl“, vor allem aber sind sie „stark wie Titan“ und retten kleine Kinder aus bedrohlichen Situationen. Da haben wir aber noch mal Glück gehabt.

Ob das Bild nun einen Flüchtlingstrek oder einen Aufstand darstellt, einen UN-Einsatz oder eine Bauernrevolte – klar ist eins: Nur einer trägt eine Brille. Der hat den Plan – und das Kind in den Armen. Immerhin waren die KampagnenmacherInnen nicht so dumm, die allerplattesten kolonialistischen Vorstellungen von guten weißen Männern zu bedienen, die ein bisschen Zivilisation und Frieden in die Welt tragen. Auf Diversität haben sie geachtet. Nein, jetzt tragen andere Menschen Frieden und Freiheit in die Welt: die, die sich eine Ray-Ban-Brille leisten können. Denn mit Ray-Ban ist man automatisch der Gute. Und genauso automatisch kriegt man dann dieses Kreuz auf die Weste, das allen zeigt, dass man der Retter ist. Total super: Brille kaufen, Menschen retten, fertig. Verrückt.

Und leider gar nicht so dumm, denn all die Menschen, die von einem schlechten sozialen Gewissen geplagt sind, aber nichts tun, können sich jetzt einfach eine Brille kaufen. Das Ganze fungiert ja sozusagen als Schutzschild gegen den Nihilismus in dir. Ray-Ban heißt übrigens Strahlenschutz. Die KampagnenmacherInnen scheinen den allerdings nicht bekommen zu haben. Oder sie haben sich, weil sie den eigenen Produkten nicht trauten, zu viel Sonnencreme ins Hirn geschmiert. Dementsprechend schmierig ist die Werbung geraten. JUDITH POPPE