Keiner liest Schröder

Autobiographie des Altkanzlers kommt bei der NRW-SPD schlecht an. Fraktionschefin Kraft zögert mit Lektüre. Linke gegen Schröders Thesen. Nur Gesundheitsexperte Lauterbach will Memoiren lesen

VON MARTIN TEIGELER

Geht es nach der NRW-SPD, dann werden die Memoiren von Gerhard Schröder kein Bestseller. Führende Sozialdemokraten aus dem größten Landesverband zeigen wenig Begeisterung für das Ende der Woche erscheinende Werk. Die Düsseldorfer Fraktionschefin Hannelore Kraft weiß noch nicht, ob sie die Erinnerungen des Exbundeskanzlers lesen wird. „Wenn ich Zeit habe, werde ich das Buch vielleicht lesen“, so Kraft gestern auf taz-Anfrage. Eine „großartige Debatte“ werde Schröders Buch in der Partei aber nicht auslösen, sagt die Oppositionsführerin im NRW-Landtag. SPD-Landesvorstandsmitglied Dietmar Köster wird deutlicher: „Auf dieses Buch hat die SPD nicht gewartet.“ Es gebe bei den Genossen „keine Schröder-Nostalgie“, so der Unterbezirksvorsitzende Ennepe-Ruhr.

In Vorabveröffentlichungen in Bild und Spiegel hatte Schröder gestern die angeblichen Gründe für seine Neuwahl-Entscheidung nach der verlorenen NRW-Landtagswahl 2005 genannt. Wenn er nach der Wahlpleite im einstigen SPD-Stammland nicht die Neuwahl im Bund gesucht hätte, hätten „relevante Kräfte“ in der SPD von ihm verlangt, den Reformkurs aufzugeben. „Dann hätte ich zurücktreten müssen“, wurde Schröder zitiert.

NRW-Sozialdemokraten widersprechen dieser Version. „Es hätte eine inhaltliche Debatte gegeben, aber keinen Kanzlersturz“, sagt Alexander Bercht, Landeschef der NRW-Jungsozialisten. Die Neuwahlentscheidung Schröders sei falsch gewesen, weil sie der CDU „den Schlüssel zur Kanzlerschaft“ in die Hand gegeben habe. Jetzt brauche die SPD aber keine „historische Aufarbeitung“ der Schröderära, sondern eine sozialere Ausrichtung etwa in der Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik, sagt der Sozialdemokrat aus Münster.

„Die Regierung Schröder hat zu oft gegen das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit gehandelt“, so SPD-Landesvorstand Köster. Unter Rot-Grün seien mit der Agenda 2010 und Hartz IV Gesetze gemacht worden, die in der Mitgliedschaft als unsozial empfunden worden seien. Seit dem Ende der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder sei der dramatische Mitgliederschwund der Partei teilweise gestoppt worden, berichtet der Kreisvorsitzende: „Es bröckelt immer noch – aber die massenhaften Austritte sind vorbei.“ Dennoch sei die Parteibasis weiter unzufrieden. „Was die große Koalition etwa bei der Rente ab 67 macht, ist ebenfalls unsozial“, sagt Köster.

Die Oberhausener SPD debattierte gestern Abend die soziale Lage in der Republik. „Armut ist kein Phänomen der Ära Schröder“, sagt Unterbezirkschef Wolfgang Große Brömer. Aber vor allem „in der Außendarstellung“ habe Schröder nicht gut genug erklärt, warum die Agenda 2010 notwendig war, so der Landtagsabgeordnete. Das Schröderbuch wird Große Brömer wohl auch nicht lesen: „Ich habe zu Autobiographien grundsätzlich ein gespanntes Verhältnis.“ In der Mitgliedschaft würden die Memoiren mit einer Mischung aus „Ablehnung, Zustimmung und Belustigung“ aufgenommen.

„Natürlich werde ich das Buch lesen“, sagt der Kölner Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. Es gebe an der SPD-Basis tatsächlich so etwas wie „Schröder-Nostalgie“ – obwohl die Mitglieder Versäumnisse des Kanzlers etwa in der Sozialpolitik sähen. Die Genossen trauerten weniger der Politik als der Person Schröder nach, so der Gesundheitsexperte. „Im Gegensatz zu Angela Merkel hatte Schröder die Führungsstärke und den Mut, Politik auch durchzusetzen“, sagt Lauterbach. Eine untaugliche Kompromisslösung wie den Gesundheitsfonds hätte es mit Gerhard Schröder nicht gegeben.