BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Das Wiener Schnitzel gehört zu unserem Besten

Natalie Tenbergs Gastrokritik: Das Restaurant Schneeweiß in Berlin-Friedrichshain ist ein stil- und geschmackssicheres Lokal zum häufigeren Besuch

Nachmittags um zwei Uhr an der Straße des 17. Junis kommt einem Berlin oft entvölkert vor. Ein Radfahrer ist in Richtung der Siegessäule zu sehen, vier, fünf Autos Richtung Brandenburger Tor, mehr nicht. Da packt einen das Verlangen, beispielsweise nach Essen zu ziehen, einfach um hin und wieder mal Menschen zu sehen.

Zu solch drastischen Mitteln muss man jedoch nicht greifen. Einfach an einem Freitagabend nach Friedrichshain zu fahren, das reicht. Es wimmelt an der Warschauer Straße von jungem Volk, und jeder Zweite hat sein Gehbier dabei. Das heizt die Stimmung an und ist gut fürs Nachtleben, der Restaurantszene hilft das aber nicht gerade. Da ist es umso erstaunlicher, wenn man in diesem Kiez ein dezentes, einladendes Lokal findet, nämlich das Schneeweiß an der Simplonstraße. Hier sitzen die Gäste bei leichter 60er-Jahre-Lounge-Musik und angenehmer Geräuschkulisse in – man kann es sich denken – recht heller Atmosphäre. Im langen, hellen Lokal ist nämlich dem Namen nach recht viel in Weiß gehalten: Tische, Bänke, Holzverkleidung. Auch die Bar ist mit weißem Leder gepolstert. Hört sich schrecklich an, sieht aber hübsch aus. Vor allem wenn man im Düsteren in der dunklen Simplonstraße plötzlich auf diese Lichtinsel stößt, wirken das Schneeweiß und seine rustikale Küche verlockend. Schade, dass ein spontaner Besuch abends kaum möglich ist, eine Reservierung braucht man schon. Die reguläre Karte ist klein gehalten: Schnitzel, Gulasch, Käsespätzle.

Das Wiener Schnitzel mit lauwarmem Kartoffelsalat gehört zu den besten Berlins. Nicht das dünn geklopfte Kalbsfleisch selbst ist so bemerkenswert, sondern die Panade! Die sieht aus, als würde sich ein Blumenkohl unter ihr verstecken, wellig, perfekt und herrlich leicht. Dagegen wirkt das Saftgulasch fast langweilig. Es ist zwar zart, aber nicht besonders würzig. Neidisch schielt der, der es bestellt hat, auf den Schnitzelesser.

Der zu den beiden Gerichten gereichte Salat ist frisch und das Dressing bodenständig lecker, die Blätter sind indes so groß gelassen, als seien sie zur Nilpferdfütterung gerupft worden. Zum Dessert, einem Apfelstrudel mit Vanillesoße, der nicht wie aus der Tiefkühltruhe wirkt, bringt die freundliche Bedienung ungefragt zwei Bestecke, eine kleine Geste, die dem Gast aber eine lästige Bitte erspart. Die einzige Geschmacklosigkeit im Restaurant ist ein Leuchtelch, der auf der Bar steht. Ansonsten ist das Schneeweiß stil- und geschmackssicher, ein angenehmes Lokal, das man häufiger besuchen möchte.

RESTAURANT SCHNEEWEISS, Simplonstr. 16, 10245 Berlin, Tel. (0 30) 29 04 97 04, U-Bahn Warschauer Straße, www.schneeweiss-berlin.de, tägl. ab 10 Uhr, Hauptgerichte ab 6,50 €, kleine Frühstücksauswahl ab 4,30 €