Ein Minisarg für Tinkerbell

Perversionen für lauffaule Pfötchen: Am Wochenende fand die 2. Berliner Heimtiermesse statt. Der Knorpel war frisch, und es gab „Dog Dancing“ zu Reggaemusik. Am Infotainment mangelte es aber

Worte wie Leiche oder Kadaver werden pietätvoll und blumig umschrieben

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Großer Andrang herrschte am vergangenen Wochenende vor der Arena in Treptow. Die Massen strömten zur 2. Berliner Heimtiermesse – die Berliner sind eben weit und breit die größten Haustierhalter und Hundeliebhaber.

Wenn man bedenkt, dass für Tiere, besonders für Hunde, nun mal Fressen einfach das Größte ist, hat die Messe durchaus die Vorlieben ihrer Klientel berücksichtigt – Tiernahrung, so weit das Auge blickt. Ein strenger Geruch geht von dem ausladenden Pansenstand aus. Da gibt es Schweine- und Rinderohren, „Ochsenziemer“-Knorpelstücke, alles in verschrumpelter Zombie-Optik, als sei man geradewegs bei Doktor von Hagens „Körperwelten“ gelandet.

Aber auch die philosophische Frage nach dem Danach wird in der Arena gestellt. „Freunde bleiben unvergessen“, behauptet die Firma „Tierbestattung im Rosengarten“. Eine ähnliche Institution fragt brutal „Gelebt, geliebt, geschreddert?“ und bietet „individuelle Haustiersärge für einen würdevollen Abschied“ an. Es ist wie im menschlichen Bestattungswesen: Man spricht mit pietätvoll gesenkter Stimme und versucht, alle zu endgültigen Worte wie Tod, Leiche oder Kadaver blumig zu umschreiben.

Da ist es schwer weiterzugehen – zu leichteren Themen und ganz und gar unnötigen Produkten wie der Katzentrinkfontäne, dem Biopaté oder auch solchen Fragen wie etwa, ob die Garfield-Panic-Mouse nicht gar ein Betrug an der Katze ist.

Aber es gibt hier natürlich auch wahre Tierfreunde, die sich um hilfsbedürftige Kreaturen sorgen. Der Verein der Rattenliebhaber etwa betreibt Aufklärung mit griffigen Plakatslogans, deren Problematik sich allerdings nicht immer gleich erschließt: „Rattenschicksal! Selbst noch fast ein Baby und schon Rattenmutter!“ oder „Ich will EINE Ratte! Ratten sind entschieden gegen ein Leben als Single“.

Mit der Tombola für „Ratten in Not“ wird Geld gesammelt, nebenan bietet man Hilfe für in Not geratene Meerschweinchen. Tiere an sich sieht man in der Arena allerdings weniger, nur bei der „1. Alpakafarm in Havelland“ stehen ein paar Lamas im Ställchen, schauen düpiert unter ihren seltsamen Frisuren hervor, kauen und lassen ab und zu Wasser.

Die Rassekatzenausstellung wird durch einen wissenschaftlichen Vortrag bereichert: „Thaikatzen wurden im 14. Jahrhundert von den Engländern nach Großbritannien gebracht. Sie erzählen viel und sind praktisch wie Hunde. Sie sind sehr schlank. Denn das ist so auch beim Menschen: Der eine will keinen dicken Partner haben, der andere möchte nicht so gerne einen ganz schlanken Partner haben. Und so gibt es verschiedene Rassen bei den Katzen.“

An der Hundeboutique hingegen haben sich einige Neuköllner und Pankower Paris Hiltons mit ihren Tinkerbells versammelt. Hier kann man alles Mögliche an Perversionen für den Schoßhund erwerben: kleine Mäntelchen in allen Farben bis zu seidenen Kimonos, Lederwesten und Cowboyhüte. Der Renner aber ist „Doggy“, nur auf den ersten Blick ein Kinderwagen. „Doggy“ ist ganz auf die Bedürfnisse des lauffaulen Minihunds ausgerichtet, mit eingelassenem Futternapf, einem Sichtfenster wie fürs Kleinkind und mit textiler Seitenbespannung in heiterer Pfötchenoptik.

Da haben es die Doggen und Bernhardiner im nächsten Gang schon viel besser. Ruhig stehen die bis zu kalbsgroßen, schönen, sanften Tiere da und lassen sich von ihren Herrchen und Frauchen geduldig zum Probeliegen auf großen ledernen Hundekissen überreden. Den meisten Spaß scheinen hier sowieso die Hunde der Besucher zu haben. An allen Kreuzungen bilden sich Begrüßungskomitees. Das ist ein Schnuppern, Schwanzhochstellen, Beriechen, Wedeln – eine heitere Aufregung!

Nach all den Kaufanreizen sucht der Messegast ein wenig Unterhaltung. Höhepunkt eines jeden Heimtiermessetages ist „Dog Dancing“. Der Sport entstand vor etwa 15 Jahren im angelsächsischen Raum und wird von Rainer und Urmel – Urmel ist ein munterer Airdale-Terrier – vorgeführt. Rainer, ein zur Fülle neigender Mann, vollführt zierliche, aufgeregte Schrittchen zu Reggaemusik, Urmel läuft nebenher und schlüpft gelegentlich durch die Beine seines Herrchens durch. Später springt er dann tatsächlich mehrmals über dessen ausgestreckten Arm und zeigt ein paar Kunststückchen auf den Hinterbeinen.

Alles in allem ist das Programm in der Arena dann aber doch etwas enttäuschend. Bei einer reinen Verkaufsmesse und bei 7,50 Euro Eintritt würde man sich etwas mehr Infotainment wünschen. Umsonst gibt es nichts, aber die tierlieben Berliner gehen trotzdem hochzufrieden mit vielen Tüten bepackt aus der Halle. Einer trägt glücklich einen ganzen Sack voll getrockneter Schweineohren davon.