Andauernde Improvisation

Heute beginnt der WorldCup der Handball-Nationalmannschaften. Für das letzte Turnier zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft haben dem Bundestrainer Heiner Brand wieder einmal jede Menge Spieler verletzt abgesagt

Fünf Spiele gegen starke Gegner in sechs Tagen: Der WorldCup ist auch ein körperlicher Härtetest

KÖLN taz ■ Immerhin, neu ist die Situation für Heiner Brand nicht. „Eigentlich war nach 2004 wegen der vielen Ausfälle immer nur Improvisieren angesagt“, sagt der 54-jährige Bundestrainer. Der Aufbau der neuen Handball-Nationalmannschaft, die nach der Silbermedaille in Athen der zurückgetretenen „Goldenen Generation“ (Zerbe, Kretzschmar, Petersen, Schwarzer, Dragunski) folgen sollte, war jedenfalls stets empfindlich gestört. Auch jetzt, rund drei Monate vor der Weltmeisterschaft, die am 19. Januar in Berlin mit dem Eröffnungsspiel gegen Südamerikameister Brasilien startet, hat sich die Lage nicht wirklich verändert.

„Ich hatte gehofft, dieses Jahr sind alle fit“, sagt Brand. Doch dann fiel Frank von Behren (Flensburg), der Abwehrchef, vor vier Wochen mit einem Kreuzbandriss aus, was Brand „schon schwer im Magen liegt“, wie er bekennt. Und vor dem letzten großen Vorbereitungsturnier, dem am Dienstag in Bremen beginnenden WorldCup, fehlen mit dem Kieler Christian Zeitz, den eine Hüftverletzung behindert, und dem genialen Regisseur Oleg Velyky (Kronau), dem Lymphknoten entfernt werden mussten, zwei weitere Schlüsselfiguren. Mit Routinier Volker Michel (Göppingen) musste gestern kurzfristig ein weiterer Linkshänder wegen einer Leistenverletzung passen. Zudem sind die Einsätze der Rückraumakteure Michael Kraus (Göppingen) und Lars Kaufmann (Wetzlar) gefährdet.

Ins Jammern verfällt Brand deswegen nicht, er wendet es ins Positive: „Auch bei der kommenden WM können Ausfälle auftreten. So kann ich jetzt schon mal testen, wie mein Team damit umgeht.“

Ein körperlicher Härtetest ist der WorldCup allemal. Fünf Spiele in sechs Tagen stehen dem Brand-Team bevor – gegen durchweg hochkarätige Gegner. Serbien, Auftaktgegner am Dienstag in Bremen, hat zwar die WM-Qualifikation verpasst und befindet sich im Neuaufbau, zählt aber zu den Ländern mit großer Tradition in dieser Sportart. Olympiasieger Kroatien (Mi., Hannover), der seit 2003 einen erfolgreichen wie spektakulären Handball spielt, gehört wie der letzte Vorrundengegner Dänemark (Do., Bremen) zu den heißen WM-Favoriten. Für das Wochenende reisen alle Teams dann ins südliche Schweden (Helsingborg, Malmö), wo die zwei anderen Halbfinalteilnehmer ermittelt werden. Dann könnte Deutschland auf Weltmeister Spanien oder den WM-Vierten Tunesien treffen, mögliche Gegner der Deutschen in der WM-Hauptrunde bzw. im Viertelfinale. Die beiden anderen Teams, Schweden und Griechenland, sind nicht für die WM qualifiziert. Livebilder im Fernsehen wird es übrigens nicht geben – möglicherweise zeigt die ARD-Sportschau am Sonntag Ausschnitte.

Vorrangig wird es Bundestrainer Brand darum gehen, mit Michael Hegemann (Lemgo) einen zweiten Mann im Zentrum der 5:1-Deckungsformation einzuspielen, die bei den beiden Länderspielen in Polen bereits getestet wurde; nach dem Ausfall von Behren gilt auf dieser zentralen Position nun der Magdeburger Oliver Roggisch, der in der Schweiz eine glänzende EM spielte, als erste Wahl. Als vorgezogene „Indianer“ in diesem aggressiven Deckungsverbund sind Torsten Jansen oder Dominik Klein vorgesehen. Da mit Velyky der neben Kapitän Markus Baur wichtigste Rückraumakteur ausfällt, erhält der Kronauer Jung-Nationalspieler Michael Haaß eine Chance. Der 22-Jährige hatte sein Debüt im April gefeiert, als er beim Viernationenturnier in Paris zu den Besten gehörte. Auf halbrechts, der Position von Christian Zeitz, wird Brand neben dem etablierten Holger Glandorf den Lübbecker Rolf Hermann testen.

ERIK EGGERS