Bushs Einsicht ist der erste Schritt
: KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Niemand in den USA spricht mehr von Fortschritt im Irak: Das ist schon ein Fortschritt. Nach Jahren des Wunschdenkens und plumper Erfolgspropaganda ist auch die Bush-Regierung endlich in der Realität angekommen. Der Nachteil: Die Realität im Irak ist so, wie sie ist, und was bislang verpfuscht wurde, ist jetzt kaum noch zu reparieren. Auch die aufgeregte und – insbesondere vonseiten der Demokraten – lautstark geführte Irakdebatte im US-Wahlkampf kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass derzeit niemand einen Weg kennt, auf dem der Irak aus einem immer blutigeren Bürgerkrieg herausfinden könnte.

Jetzt versucht die US-Regierung – und mit ihr die britische – den Irak per Ultimatum dazu zu bringen, sich selbst zu sortieren. Binnen eines Jahres, so heißt es, solle die irakische Regierung die Milizen entwaffnen und die eigenen Sicherheitskräfte auf Vordermann bringen. Dann wollen die Briten am liebsten ganz aus dem Land sein, und die USA drohen mit „strategischen Veränderungen“. Das hat etwas von Hartz IV: Wer etwas will, der kriegt es schon, wenn er nur ausreichend unter Druck gesetzt wird, so die Logik. Sie dürfte etwa so viel Frieden bringen, wie Hartz IV Arbeitsplätze geschaffen hat.

Natürlich führt die Feststellung, dass die Malaise im Irak das Ergebnis des mit Lügen begründeten, völkerrechtswidrigen Einmarschs der US-geführten Truppen ist, nicht weit. Nur: Sie bleibt richtig. Und sie begründet, warum die Hauptverantwortung für die Entwicklung des Irak auch heute noch bei denen liegt, die diesen Krieg unbedingt führen wollten.

Das sollte die Verantwortlichen allerdings nicht dazu verleiten, einfach so weiterzumachen wie bisher und lediglich kosmetische Korrekturen an diesem Kurs vorzunehmen. Es müsste vor allem bedeuten, alle zur Verfügung stehenden Optionen ernsthaft zu prüfen, auch wenn sie liebgewonnenen politischen Dogmen widersprechen.

Das hieße etwa, den Iran und Syrien aktiv in die Lösung des Problems einzubeziehen. Auch das garantiert noch keinen Erfolg – es aber nicht zu tun, garantiert das Scheitern. So gesehen ist es durchaus ein Fortschritt, dass die Bush-Regierung jetzt endlich so weit ist, diese Debatte zu führen.