„Für Kinder gibt’s Tabus“

GRÜNDUNGSTAG Seit zehn Jahren betreibt die aboinudi-Gruppe Fadenspiel-Kunst – mit Unesco-Siegel

■ 60, wurde Fadenspiel-Profi, nachdem er diese Kunst als Ästhetik-Dozent an der Bremer Uni etabliert hat.

taz: Herr Walschik, wieso machen Sie als erwachsener Mann Fadenspiele?

Lothar Walschik: Das sind ja gleich zwei Vorurteile auf einmal! Erstens unterstellen Sie, Fadenspiele wären etwas für Kinder. Und dann finden Sie’s auch noch unpassend, dass ich das als Mann mache – sprich: Sie meinen das sei etwas ausschließlich für Mädchen. Beides ist vollkommener Quatsch.

Naja, aber …

Außer in Europa werden Fadenspiele auf allen Kontinenten der Welt gemacht. Das ist eine Kunstform, die mehr als 5.000 registrierte Figuren hat und von sehr vielen Erwachsenen beiderlei Geschlechts ausgeübt wird. Für Kinder gab’s sogar Tabus.

Welche?

Wenn die eine Figur des anderen Geschlechts gemacht haben, also Mädchen eine männliche oder Jungs eine Frauenfigur – da gab es Sanktionen.

Oh! Und Sie als weißer, europäischer Mann sind übers Reisen zum Fadenspielen gekommen?

Nein, durch einen Krankenhausaufenthalt 1979: In einem Buch über die Aborigines waren Figurenbeschreibungen abgedruckt. Und dann habe ich meine Schnürsenkel rausgezogen und das ausprobiert. Seither hat mich das Thema nicht losgelassen, ich habe dazu geforscht, Bücher geschrieben, betreue Examensarbeiten an der Uni …

…und die aboinudi-Gruppe?

Die ist vor zehn Jahren zur EXPO entstanden: Weil sie die einzige in Europa ist, die diese Kunst so systematisch betreibt, hat die Unesco sie kurz danach als Beitrag zu einer Kultur des Friedens ausgezeichnet.

Und beim Fadenspieltreffen zum Jubiläum treten Sie heute vor großem Publikum auf?

Nein, das ist eine geschlossene Veranstaltung.

Wie schade!

Ach, wir sind sonst so viel unterwegs, an Schulen in ganz Deutschland oder in der Erwachsenenbildung. Das Treffen ist ein fachlicher Austausch unter Kennern aus aller Welt. Da würden Laien nur aufhalten – weil alle sofort mitmachen wollen.

INTERVIEW: BES

„aboinudi“ leitet sich her von Aborigines, Inuit und Indianern, deren Fadenfiguren gut dokumentiert sind. Infos: www.aboinudi.de