Die Politik des Türstehers

NEULAND Wegen seiner Hautfarbe durfte er nicht in die Disko – glaubt Mike F. Und hat Bremens erstes Zivilverfahren nach Antidiskriminierungsgesetz in Gang gebracht

Die Regierung Angela Merkel ließ das noch von Rot-Grün entworfene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Sommer 2006 verabschieden.

■  Erbitterten Widerstand dagegen gab es von der FDP, aber auch Kanzlerin und CDU hatten sich gesträubt, mussten aber EU-Recht erfüllen.

■  Privatpersonen und -firmen sind seither auf die Diskriminierungsverbote aus Artikel 3, Grundgesetz und Artikel 14, Menschenrechtskonvention verpflichtet.

■ Ein Kläger muss die Diskriminierung plausibel machen. Gelingt ihm das, muss der Beklagte den Gegenbeweis führen, also dass er ihn nicht aus rassistischen, religiös-weltanschaulichen Motiven, wegen seiner sexuellen Identität oder einer Behinderung benachteiligt hat. (bes)

VON TERESA HAVLICEK

Beim Türsteher war Schluss. Mike F. hatte sich, vergangenen Dezember, mit Freunden aus Abi-Zeiten getroffen. Gemeinsam hatten sie gefeiert, dann sollte es weiter gehen ins La Viva. Aber der ließ Mike nicht durch. Wegen seiner Hautfarbe, vermutet der – und hat die Diskobetreiber verklagt, wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Schmerzensgeld fordert er.

Die Verhandlung hat am Donnerstag vorm Amtsgericht begonnen. Es ist eine Bremer Premiere: Eine Zivilklage nach Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gab es hier noch nie. Dabei gilt das Gesetz seit 2006, und von rassistischen Diskriminierungen an den Türen der Disko-Meile weiß nicht nur Mike F. zu berichten. Viele aber kennen ihr Recht nicht. Mike F. schon. Er studiert Jura.

„Noch ein bisschen tanzen“, hätten sie gewollt, gibt er vor Gericht an. Sein Freund vor ihm – blond, hellhäutig – sei ohne Probleme reingekommen. „Läuft nicht“, habe es dann aber bei ihm geheißen. Sein „Gesamtbild“ passe nicht, habe der Türsteher ihm erklärt, „genervt und verächtlich“.

Schnell sei klar gewesen, dass nur seine Hautfarbe gemeint sein konnte. „Ich bin mir sicher, dass ich reingelassen worden wäre“, sagt Christina H. aus, die an jenem Abend mit F. unterwegs war und vor Gericht als Zeugin auftritt. Genickt habe der Türsteher, als sie ihn das gefragt hat. Und ein Gesamtbild von Mike F. hätte er gar nicht wahrnehmen können: Nur ins Gesicht des 29-Jährigen habe der Türsteher geschaut, die Kleidung, die Schuhe, den schwarzen Mantel gar nicht registriert. Chic hätten sie sich an diesem Abend gemacht, für die Party zuvor. Dort, so H., „herrscht ein ganz anderer Standard“ als im „La Viva“.

„Einfach nicht passend“ habe er F. gefunden, sagt der Türsteher selbst vor Gericht. Was das bedeute, will der verhandelnde Richter Heinrich Auffahrt wissen. Der „Gesamteindruck“, das „Outfit“, der „Alkoholpegel“. In lockerer Jeans und Hemd habe F. in jener Winternacht vor der Tür gestanden, gibt er an. Im „La Viva“ aber achte man auf „angemessene Kleidung“, ein „gewisses Niveau“, „nicht dieses Gangster-Outfit“. Das sei die „Vorgabe“, so der Türsteher, die ethnische Herkunft spiele dabei aber keine Rolle. 1.000 Gäste habe der Club pro Wochenende, sagt Prokurist Andre S. Dass an der Tür auch „Fehlentscheidungen“ getroffen werden, findet er „vollkommen normal“. Innerhalb von Sekunden müssten die Türsteher einschätzen, wie sich eine Person im Laden verhält. Eine „Rassenideologie“ gebe es beim Einlass nicht, versichert er.

Mike F. sagt, ihm sei häufig von ähnlichen Erfahrungen an der Tür des „La Vivas“ berichtet worden. „Der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft“, sagt er, „kommt auch an der Türpolitik der Großraumdiskos zutage“. Und dagegen „muss jemand mal anfangen, sich zu wehren“. Viel Mühe – das Beantragen der Prozesskostenhilfe, den aufwendigen Schriftverkehr – hat er dafür auf sich genommen.

Das Gericht nimmt sich Zeit für den Fall: Bei einem zweiten Termin am 21. Dezember wird es weitere ZeugInnen anhören. Und Verfahren nach dem AGG sind nach wie vor ausgesprochen selten – ganz anders als im Gesetzgebungsverfahren seinerzeit befürchtet worden war: Im Arbeitsrecht spielen sie eine kleine Rolle,und ganze zwei Jahre hat es seit Inkrafttreten der Norm gedauert, bis, in Oldenburg, die bundesweit erste zivilrechtliche Antidiskriminierungs-Klage verhandelt wurde. Auch dort war ein Mann dunkler Hautfarbe von einem Disko-Türsteher nicht eingelassen worden. Aus rassistischen Motiven, bestätigte damals das Landgericht. Im Land Bremen ist es der erste Fall, der vors Gericht gelangt.