Selbst Bismarck war besser

Bäderbetriebe stellen Lohnzahlung an Mitarbeiterin ein

VON UWE RADA

„Ohne Arbeit kein Lohn“, lautet einer der ehernen Sätze des Arbeitsrechts. Doch schon Otto von Bismarck wusste, dass dieser frühkapitalistische Grundsatz Ausnahmen verlangt – so kam es zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Wer allerdings dauerhaft arbeitsunfähig ist, kann gekündigt werden. Widerspricht der Arbeitnehmer, müssen die Gerichte entscheiden. So weit, so üblich.

Die Politik schweigt

Die Berliner Bäderbetriebe gehen nun einen anderen Weg. Weil Nadine Natezki nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr als Aufsichtskraft arbeiten kann, soll sie an der Kasse arbeiten. Das lehnt sie ab, weil sie weniger verdienen würde. Betriebsrat und Einigungsstelle schließen sich ihrer Auffassung an.

Statt zu kündigen, setzt der neue Bäderchef Ole Bested Hensing nun auf eine vor-Bismarck’sche Strategie. Er stellt einfach die Zahlungen ein. Im 21. Jahrhundert landet so eine Arbeitnehmerin eines öffentlichen Betriebs im Frühkapitalismus des 19. Jahrhunderts. Der Unternehmer alles, der Mitarbeiter nichts.

Öffentliche Betriebe, heißt es, sollen Vorbildcharakter haben. Nähme man das wörtlich, würden bald auch Krankenschwestern, aber auch Beschäftigte der Privatwirtschaft ohne Lohn dastehen, wenn sie arbeitsunfähig werden. Bisher hat die Politik zum Fall Natezki geschwiegen. Arbeitet der Bäderchef also mit Rückendeckung durch Sportsenator Frank Henkel (CDU)?

Derzeit feiern die Bäderbetriebe den 100. Geburtstag des Stadtbads Neukölln. Ole Bested Hensing braucht solche guten Nachrichten. Kein Wunder, wenn er die ganz schlechten selber produziert.