Keinen Lohn, kein Arbeitslosengeld, keine Rente

BÄDERBETRIEBE Ver.di kritisiert faktische Entlassungen ohne Kündigung in öffentlichen Unternehmen

„Wenn man nicht kündigt, spart man die Abfindung“

WERNER ROEPKE, VER.DI

Die Bäderbetriebe verteidigen ihre Entscheidung, einer behinderten Mitarbeiterin keinen Lohn mehr zu zahlen. „Die Kollegin kann in ihrer ursprünglichen Tätigkeit nicht mehr eingesetzt werden. Daraus folgt, dass das Unternehmen aus tarifrechtlichen Gründen das Gehalt nicht weiterzahlen kann“, so Sprecher Matthias Oloew.

Die taz hatte am Mittwoch berichtet, dass Nadine Nitezki, die als Fachangestellte für Bäder für die Schwimmaufsicht zuständig war, nach einer Bandscheibenoperation keine ertrinkenden Menschen mehr aus dem Becken ziehen kann. „Die Berliner Bäder-Betriebe haben zunächst versucht, sich in langen und ausführlichen Gesprächen mit der Kollegin zu einigen“, so Oloew. Das Unternehmen bot ihr etwa einen Job als Kassiererin an – der aber schlechter bezahlt ist. Der Personalrat dagegen forderte, Nitezki auf einer gleich gut bezahlten Position einzusetzen.

Weil keine Einigung zustande kam, beantragte das Unternehmen beim Personalrat die Zustimmung zur Herabstufung Nitezkis – was dieser ablehnte. In der nächsten Instanz landete die Sache vor der Einigungsstelle – die ablehnte. Das Unternehmen sprach nun keine Kündigung aus, sondern stellte Nitezki von der Arbeit frei, zahlte den Lohn nicht mehr und meldete sie von der Sozialversicherung ab.

„Nicht unüblich“

„Die Bäderbetriebe können die Kollegin nicht für eine Leistung entlohnen, die sie nicht erbringen kann“, erläutert Oloew. Für den schlechter bezahlten Kassiererjob habe man dagegen „angeboten, der Kollegin eine Jobgarantie bis zu ihrer Rente zu geben, damit sie abgesichert und sozialversichert ist“.

Eine Einstellung der Lohnzahlung ohne Kündigung „ist in öffentlichen Unternehmen nicht völlig unüblich“, sagt Werner Roepke, Fachbereichsleiter im Ver.di-Landesverband. Auch bei Erzieherinnen in den Kita-Eigenbetrieben gebe es solche Einzelfälle. „Dann stehen die Kollegen vor der Situation, dass sie weder Lohn bekommen noch arbeitslos sind, noch sind sie in Rente.“ Arbeitslosengeld I gibt es nicht, weil die Mitarbeiter formal in einem ungekündigten Job sind. Sozialhilfe gibt es nur bei Bedürftigkeit, wenn die finanziellen Rücklagen aufgebraucht sind.

Roepke erläutert, warum Unternehmen so vorgehen: Wenn sie kündigen, landet der Fall vor Gericht, und dort kommt meist eine Abfindung raus. „Wenn man nicht kündigt, spart man sich die Abfindung“, sagt Roepke – die Nichtzahlung des Lohns erhöht den Druck auf den Arbeitnehmer, einem Vergleich zuzustimmen, der für das Unternehmen billiger ist. Roepke findet ein solches Vorgehen „katastrophal“ und mit der Verantwortung öffentlicher Arbeitgeber unvereinbar. Die Bäderbetriebe wollen nun immerhin im Fall Nitezki doch noch von der bisherigen Linie abrücken: Man bereite nun eine Änderungskündigung vor, so Sprecher Oloew.

Den Betriebsfrieden sieht Roepke allerdings bereits durch den neuen Unternehmenschef Ole Bested Hensing gestört. „Zuerst war die Stimmung gut, denn er brachte einen lockeren Umgang rein. Nach drei Monaten schlug das dann ins Gegenteil um, und es herrscht ein Klima, das ein gedeihliches Zusammenarbeiten überhaupt nicht mehr zulässt.“ Die nächsten Monate werden jedenfalls „spannend“, sagt Roepke. Bei Sommerwetter seien die Öffnungszeiten nur aufrechtzuerhalten, „wenn die Kollegen eine erhebliche Anzahl an Überstunden leisten, und dazu sind sie gerade nicht bereit“.

SEBASTIAN HEISER