„Attraktiv wie ein Bonbon“

SPANIEN Fußball-Zweitligist Deportiva Eibar braucht Geld, obwohl der Club total gesund ist

■ Der 39-Jährige, der dem kleinsten spanischen Zweitligisten, dem baskischen Klub Sociedad Deportiva Eibar, seit dem Jahr 2009 vorsteht, ist Wirtschaftswissenschaftler, Universitätsprofessor und Marketing-Direktor einer Tankstellenkette.

taz: Herr Aranzábal, die Sociedad Deportiva Eibar scheint alles richtig zu machen. Nach dem Aufstieg aus der dritten Liga im letzten Jahr steht der Club sieben Spieltage vor Ende der zweiten Liga auf Platz 2. Der Aufstieg in die Primera División scheint so gut wie sicher. Doch die Sportaufsichtsbehörde droht mit dem Zwangsabstieg. Wie kann das sein?

Alex Aranzábal: Die Behörde könnte tatsächlich unsere gesamten Anstrengungen zunichte machen. Denn das Gesetz verlangt ein Mindesteigenkapital für Erst- und Zweitligisten von 25 Prozent der durchschnittlichen Ausgaben aller Clubs in der entsprechenden Kategorie. In unserem Falle wären das 2,1 Millionen Euro. Wir haben aber nur etwas mehr als 400.000.

Dieses Gesetz soll dafür sorgen, dass die Clubs finanziell gesund sind. Schließlich stehen allein die Clubs der ersten Liga bei Finanzamt, Sozialversicherung und Banken mit 3,6 Milliarden Euro in der Kreide.

Aber wir haben überhaupt keine Schulden. Unser Club ist völlig gesund. Und dennoch wird ein Gesetz angewandt, dass dafür gemacht ist, diejenigen zu überwachen, die viel zu viel ausgeben. Das ist ungerecht. Das Eigenkapital ist nicht notwendigerweise ein Indikator dafür, ob ein Club gut wirtschaftet oder nicht. Ein Club kann wenig Kapital haben und gut haushalten oder umgekehrt.

Ist Eibar ein Vorbild in Zeiten der Sparzwänge?

Ich denke schon. Wir arbeiten seit Langem ohne Defizit. Der Club funktioniert wie eine Familie. Was du nicht einnimmst, kannst du auch nicht ausgeben. Wir haben ein wesentlich kleineres Budget als die restlichen Clubs. Dieses Jahr haben wir rund vier Millionen Euro ausgegeben. Wir sind in jeglicher Hinsicht der kleinste Club in der zweiten Liga. Nicht nur finanziell. Eibar hat nur 27.000 Einwohner. Unser Stadion fasst gerade einmal 5.000 Zuschauer. Nur was die Mitglieder angeht, sind wir groß. Wir haben 3.200 Mitglieder. Das sind mehr als zehn Prozent der Einwohner.

Wie kann ein so kleiner Club so stark sein?

Das liegt wohl nicht zuletzt an unseren Anhängern. Das Kapital ist weit gestreut. Wir haben 1.800 Aktionäre. Die Eintrittspreise sind erschwinglich. In der Mannschaft gibt es keine Stars. Alle werden gleich behandelt. Sie verdienen alle einen normalen Lohn, so wie ein gut qualifizierter Facharbeiter. Die Vorstandsmitglieder und in der Verwaltung sind alle ehrenamtlich tätig.

Wie wird es jetzt weitergehen?

Wir müssen an zwei Fronten kämpfen, auf dem Spielfeld und in den Büros. Die letzten sieben Spiele sind alles Endspiele. Nur wenn wir durchhalten, steigen wir auf. Das ist nicht leicht. Was wir leisten, ist vergleichbar mit einem kleinen, bescheidenen Club, der im Halbfinale der Champions League steht. Ich glaube, ich brauche keinen Namen zu nennen.

Atlético Madrid.

Ja, und dann müssen wir noch die 1,7 Millionen Euro Eigenkapital bis Ende der Sommerpau- se zusammenbekommen. Wir wollen auch weiterhin keinen Großinvestor, der den Club übernimmt. Ein gesunder Club wie Eibar ist attraktiver als ein Bonbon vor einer Schule. Wir wollen, dass das Kapital weiterhin breit gestreut ist. Das macht es nicht leichter, an Geld zu kommen. Wir geben Aktien für 50 Euro aus. Keiner kann mehr als 100.000 Euro investieren. Wir wollen auch weiterhin keine Stars. In unserer aktuellen Mannschaft spielen noch immer sieben bis acht Spieler, die bereits in der Dritten mit da- bei waren.

INTERVIEW: REINER WANDLER