Die Lehrer werden abgehängt

Weil die Uni Bremen sich vor allem als Forschungsstätte profilieren will, gerät die Lehrerausbildung ins Hintertreffen, Lehrstühle und Fächer werden gestrichen. Dabei werden bald Pädagogen fehlen

von Jan Zier

Walter Dörhage ist schon froh, dass in Bremen überhaupt noch LehrerInnen ausgebildet werden. Wäre der Bedarf in den kommenden Jahren nicht so immens, so der zuständige Abteilungsleiter im Bildungsressort – in Bremen würden womöglich bald gar keine Lehrkräfte mehr ausgebildet. Forderungen aus der Politik, die Lehramts-Studiengänge in Bremen völlig zu schließen, sagt Dörhage, habe es jedenfalls gegeben. Doch die Prioritäten liegen woanders: Die Uni Bremen will sich vor allem als „Interdisziplinäre Forschungsuniversität“ etablieren – die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern lockt mit Geld.

Die angehenden LehrerInnen in Bremen bleiben dabei außen vor, in der Bremer Bewerbung zur jetzt abgeschlossenen ersten Runde des Wettbewerbs spielten sie gar keine Rolle. Zudem muss die Uni bis 2010 die Zahl ihrer ProfessorInnenstellen um 43 reduzieren, verglichen mit dem 2004 vereinbarten Hochschulentwicklungsplan (HEP). „Die Lehrerausbildung ist von diesen Kürzungen am stärksten betroffen“, sagt Ronald Gotthelf, der für die Studierenden im Akademischen Senat sitzt, dem höchsten gewählten Uni-Gremium.

Dabei braucht Bremen neue PädagogInnen – und das nicht zu knapp: Von den bundesweit fast 800.000 Lehrkräften geht die Hälfte in den kommenden zehn Jahren in Pension, sagt Jürgen Burger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), gut 3.000 davon in Bremen. „Die Lehrerausbildung, die in der Anfangszeit der Uni Bremen im Mittelpunkt stand, wird jetzt an den Rand gedrängt“, sagt Burger. Sinke die Zahl der AbsolventInnen pädagogischer Studiengänge, drohe in Bremen „eine katastrophale Situation“.

Gefährdet, sagt die Konrektorin für Forschung und Lehre, Ilse Hellbrecht, seien vor allem die Fachdidaktiken. Weil auch die aktuelle Fassung des HEP „unter dem Siegel der Forschungsuniversität“ stehe, so Hellbrecht, kommen gerade die im engeren Sinne pädagogischen Bereiche „schlecht weg“. Was genau gestrichen wird, darüber ist aber noch nicht entschieden.

Dörhage will nur den „Kern der Lehrerausbildung“ in Bremen erhalten und „nicht mehr alle Fächer anbieten“. Welche Studiengänge demzufolge geschlossen würden, sei noch nicht klar. Die besten Überlebenschancen räumt Dörhage den „großen Fächern“ ein. Gestrichen hingegen wird wohl die Sonderpädagogik, da sie auch an der Uni Oldenburg angeboten wird, allerdings ohne Sprachbehindertenpädagogik. Zwar ist auch Dörhage mit den anstehenden Kürzungen „äußerst unzufrieden“, dennoch bezeichnet er die gegenwärtigen Planungen als „relativen Erfolg“. Er verweist auf ein gutes Dutzend Neuberufungen in den Erziehungswissenschaften. „Wir wollen weniger Lehrer ausbilden“, sagt Dörhage, „die aber so gut wie möglich“.

Hellbrecht will die fehlenden ProfessorInnen nach angelsächsischem Vorbild zum Teil durch promovierte LektorInnen – sie spricht von „Lehr-ProfessorInnen“ – ersetzen. Zehn Stellen sind derzeit geplant, alle LektorInnen müssen 16 Stunden pro Woche lehren, sechs mehr als ProfessorInnen. Damit seien zwar Studienplätze zu retten, so Hellbrecht, nicht aber ganze Studiengänge. Bei Dörhage stößt das Konzept auf Skepsis: „Es ist aus der Not geboren.“

Zugleich sieht Hellbrecht auch die Erziehungswissenschaften selbst in der Pflicht – vor allem in der Forschung: „Wir dürfen die Lehrerbildung nicht als forschungsfreie Zone sehen.“ Und auch für Didaktik, sagt Hellbrecht, ließen sich Drittmittel einwerben, Gelder von AuftraggeberInnen außerhalb der Uni also. Die Fächer müssten sich um solche Mittel jedoch stärker bemühen als bisher.