Kritik statt Kooperation

UKRAINE-KRISE Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig vor, den Genfer Friedensplan zu unterlaufen. Militäreinsatz im Osten des Landes geht weiter. Politiker zu Tode gefoltert

„Die Amerikaner dirigieren die Show in Kiew“

SERGEI LAWROW, AUSSENMINISTER

KIEW/MOSKAU dpa/afp | Die Ukraine hat Russland die Unterstützung von Terroristen und Separatisten im Osten der ehemaligen Sowjetrepublik vorgeworfen. Moskau müsse seine Verpflichtungen aus dem Genfer Abkommen umsetzen und auf seine Anhänger einwirken, um in der Ostukraine die „Gewalt zu beenden und Geiseln sowie besetzte Gebäude freizugeben“, verlangte die Regierung am Mittwoch in Kiew.

Nach dem Genfer Abkommen zwischen Russland, den USA und der EU sowie der Ukraine vom 17. April müssen alle paramilitärischen Gruppen ihre Waffen abgeben und besetzte Gebäude räumen. Russland und die Ukraine streiten aber über die Auslegung der Beschlüsse.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow wies jeden Einfluss Moskaus auf die Bewaffneten zurück und erhob seinerseits schwere Anschuldigungen gegen die USA. Washington warf er vor, die Handlungen der Machthaber in Kiew zu steuern. Er habe keine Zweifel, dass die Amerikaner „die Show dirigieren“, sagte Lawrow dem staatlichen Fernsehsender RT. Er warnte zugleich: „Jeder Angriff auf russische Bürger ist ein Angriff auf die Russische Föderation.“

US-Vizepräsident Joe Biden hatte am Dienstag Kiew besucht. Danach ordnete Interimspräsident Alexander Turtschinow an, die über Ostern gestoppte Anti-Terror-Operation im Gebiet Donezk wieder aufzunehmen. Hauptaufgabe des Militäreinsatzes sei, friedliche Bürger vor Banden zu schützen, betonte die Regierung. Die Entwaffnung prorussischer Uniformierter dauere an, hieß es. Der Mitteilung zufolge sind 6.000 Waffen beschlagnahmt worden. Moskau hatte eine Beteiligung an gewaltsamen Aktionen der prorussischen Uniformierten stets bestritten.

Als Beispiel für die Gewalt nennt die Regierung den zu Tode gefolterten Politiker Wladimir Rybak von der Vaterlandspartei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Er hatte sich für eine Einheit der Ukraine eingesetzt. Seine Leiche wurde am Dienstag in einem Fluss in der Nähe der von moskautreuen Kräften kontrollierten Stadt Slawjansk gefunden. Über der Stadt war zudem ein Aufklärungsflugzeug beschossen worden.

Die Aktivisten wiesen Berichte zurück, sie hätten einen US-Journalisten gefangen genommen. Ein israelischer Reporter sei am Montag vorübergehend festgehalten, dann aber wieder freigelassen worden, betonte Miroslaw Rudenko, selbst ernannter Chef der „Volksmiliz“. Zunächst lag keine Bestätigung vor, dass der Journalist Simon Ostrovsky vom US-Magazin Vice auf freiem Fuß ist.

In der Stadt Slawjansk war die Lage am Mittwoch zunächst ruhig. Maskierte patrouillierten vor dem Rathaus, Waffen trugen sie offenbar nicht. Allerdings blieb die Lage nach Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kompliziert. Der deutsche OSZE-Beobachter Mirco Günther sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, bisher könnten inoffizielle Informationen, wonach Verwaltungsgebäude in der Region geräumt worden seien, nicht bestätigt werden.