berliner szenen Auf dem Parkplatz

Weiße Handschuhe

Alle Parkplätze waren belegt. Da kam ein Mann zu einem Audi Cabrio, öffnete die Heckklappe und begann, die Einkäufe zu verstauen. Bestimmt würde er gleich wegfahren. Wir hielten am Rand und warteten.

Es dauerte ewig, bis Tüten und Taschen am Platz waren – fast so, als würde alles nach Lageplan verpackt. Endlich stieg er ein, fuhr aber nicht los. Er sah sich mehrmals um, brauchte ewig, bis er sich angeschnallt hatte. Wir warteten. Klare Sache, der wollte uns ärgern. Die Kinder wurden allmählich unruhig, der Motor lief auch die ganze Zeit. Der Typ im Audi strich mit einer sorgfältigen Handbewegung über den Gurt. „Mein Gott, ist der penibel“, sagte ich, dachte aber wieder: der will uns ärgern. Peer grinste bloß.

Und dann sahen wir, wie der Mann sich langsam vorbeugte und das Handschuhfach öffnete. Das Fach machte seinem Namen Ehre, der Mann nahm Handschuhe heraus. Wir hatten Oktober, es wurde allmählich kühler, aber Handschuhe? Sie waren weiß und schienen dünn zu sein. Er zog sie an, strich über das lederbezogene Lenkrad, wischte hin und her, vielleicht waren Fussel darauf. Dann steckte er endlich den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Wagen. Peer und ich, wir starrten den Kerl an, als er wegfuhr.

In meinem Auto waren Kekskrümel in die Sitze eingearbeitet. Überall lagen Schnipsel von Basteleien der Kinder herum. Allerdings war mein Auto nie gepflegt gewesen, auch nicht, bevor wir Kinder hatten. Wir sahen uns kurz an. „Stell dir vor“, sagte ich zu Peer, „wir hätten weiße Handschuhe, mit denen wir das Lenkrad anfassten.“ Wir prusteten gleichzeitig los und konnten nicht aufhören zu lachen. Nein, es gab Dinge zwischen Himmel und Erde, die waren unvorstellbar. ANNETTE SCHWARZ