das unerklärliche universum der ganzkörpertierkostümträger von JENNI ZYLKA
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Meine erste Begegnung mit Furries hatte ich vor einigen Jahren bei einer „Emergency Room“-Folge: Zwei Männer in einem Ganzkörper-Opossum- beziehungsweise Känguruhkostüm wurden in die Chicagoer Notaufnahme gebracht, weil der eine den anderen gebissen hatte. Die Oberärztin Dr. Weaver vermutete, die beiden seien Maskottchen rivalisierender Baseball-Teams. Doch die Männer erklärten sich als Liebhaber von anthropomorphen Lebewesen, die bei einer Furry Convention aneinandergeraten waren.

Immer heiß auf die Hobbys anderer Leute recherchierte ich los und entdeckte ein neues, unerklärliches Faible-Universum: Furries scheinen erwachsene Menschen zu sein, die sich in niedliche Pelztierkostüme aus dem Comic- und Cartoonbereich gewanden, um dann beispielsweise verkleidet zusammen über den Rummel zu schlendern.

Allemal sympathischer und als Nachbarn angenehmer als Lebend-Hunde- oder Lebend-Katzenhalter beeindruckten mich die Pelzfreunde mit Bildern von riesigen „Tom und Jerry“-Katzen, Marsopolamis und wurmartigen Wesen, die nebeneinander auf einer Rathaustreppe posieren wie eine Butterfahrtbusladung, bloß eben in Fur. Also in Fake Fur, versteht sich, ideologisch scheinen die Furries einiges mit den Peta-Mitstreitern gemein zu haben, obwohl ich mir noch nicht sicher bin, wie viel: In der Furrie-Welt wird permanent diskutiert, wie man sich am besten von den, nun ja, schwarzen Schafen der Gemeinde absetzt, den „Furverts“, „Plushies“ oder „Zoo’s“, wobei die einen gern Tigerkostüme beim Sex tragen, die anderen ihren Stofftieren unsittliche Löcher basteln und sie dann dolle lieb haben, während die Dritten intime Verhältnisse zu lebendigen Viechern unterhalten.

Nach einem Vanity-Fair-Artikel im Jahr 2001 sowie einer Folge der Krimiserie „CSI: Las Vegas“ mit dem unschlagbaren Titel „Fur and Loathing“ waren die Furries besonders unzufrieden mit den Medien. Dort reduziere man die harmlosen Comictierfans auf die paar Sodomisten, die sich unter sie mischten, und überhaupt seien die meisten Furries freundliche, ohne Fell eher schüchterne Menschen mit viel Fantasie und Familiensinn. Passend dazu fand ich Bilder von einem großen grauen Wolf, der ein schlafendes Menschenbaby mit Pelzöhrchen an der Mütze im Arm hält. Zumindest die ersten zehn Jahre wird Papas seltsames Hobby bei dem Kleinen wohl gut ankommen.

Wichtig scheint vor allem zu sein, dass man nicht einfach mit seinem geerbten Persianer auf einem Pelztiertreffen auftaucht, sondern sich auf bestimmte Tiere beschränken muss. Und da liegt, jedenfalls für mich, das eigentliche Problem: Weder beim Sex noch beim Brötchenholen würde ich gern Menschen begegnen, die sich wie Charaktere aus „The Lion King“ anziehen. Mir stellen sich schon die Fußnägel hoch, wenn „Cats“- Darstellerinnen mit zitternden Barthaaren „Memory“ miauen. Meine Idee, ein Sittichkostüm für die Annäherung an das Furry-Phänomen zu nähen, ist darum versickert. Es ist ohnehin nicht einfach, Federn an eine lange Unterhose zu nähen, wenn man gerade erst gelernt hat, am Ende des Fadens einen Knoten zu machen. Gehe ich halt wieder als Klingonin, wenn ich Geschmackloses sehen will.