„Wir brauchen mindestens die G 25“

Der Entwicklungsexperte Peter Wahl plädiert für die Erweiterung des Clubs der großen Wirtschaftsnationen

■ geboren 1948, arbeitet bei der Organisation World Economy Ecology Development (Weed). Er war Gründungsmitglied der globalisierungskritischen Organisation Attac.

taz: Herr Wahl, beim G-20-Gipfel in Seoul haben die wichtigsten Wirtschaftsnationen versprochen, sich künftig nicht mehr gegenseitig durch zu hohe Exporte oder zu niedrige Währungskurse zu schädigen. Ein Fortschritt?

Peter Wahl: Die Finanzkrise diktierte, dass es zu dieser Übereinkunft kam. Man konnte dem Problem nicht mehr ausweichen. Die starken Exporte Deutschlands und Chinas sowie die unterbewerteten Währungen der USA und Chinas führen zu Verwerfungen in anderen Ländern. Jetzt folgt ein schmerzhafter Prozess, auch für Deutschland. Das deutsche Exportmodell, so wie wir es kennen, steht in Frage.

In Seoul wollte die Bundesregierung die Begrenzung von Exporten und Handelsüberschüssen auf keinen Fall akzeptieren. Haben sich die G 20 also auf einen folgenlosen Formelkompromiss geeinigt?

Richtig ist, dass Deutschland bislang konkrete Schritte verweigert, um seinen hohen Handelsüberschuss zu reduzieren. Trotzdem ist jetzt eine Debatte eröffnet, der sich die Regierung auf Dauer nicht mehr entziehen kann. China hat das schon eingesehen: Es hebt den Wechselkurs des Renmimbi schrittweise an, um die Unterbewertung seiner Währung zu mildern.

Und was müsste die Bundesregierung tun?

Sie sollte versuchen, die extreme Exportorientierung der deutschen Wirtschaft zu verringern. Das läge auch in unser aller Interesse. Wegen der starken Abhängigkeit vom Weltmarkt brach die Wirtschaft 2009 um fünf Prozent ein. Stattdessen wäre es sinnvoll, die Binnennachfrage zu stärken, indem man auf die Erhöhung der Löhne im Inland hinarbeitet. Die Umstellung der einheimischen Wirtschaft auf eine klimaschonende Produktion ist ebenfalls ein lohnendes Ziel.

Halten Sie die G 20 für ein sinnvolles Gremium zur Lösung globaler Probleme?

Die G 20 haben einigen Fortschritt gebracht. Aber die Zusammensetzung der G 20 ist problematisch. Von fast 200 Staaten dieser Erde sind nur 20 vertreten. Dies stellt die Legitimation der Gruppe in Frage. Was ist mit den armen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas? Wo bleiben die kleineren Industrieländer wie Norwegen und die Schweiz? Die G-20-Regierungen sollten Vertreter dieser Staatengruppen in ihren Kreis aufnehmen. Aus den G 20 müssen mindestens die G 25 werden.

Sehen Sie in den G 20 Ansätze einer Weltregierung?

Eine Weltregierung ist eine negative Utopie. Sie bedürfte der Vereinheitlichung in einem Maße, die der Welt nicht gut täte. Die Vielfalt von Interessen, Lebensweisen und Kulturen ist immer auch ein Stabilitätsfaktor. Deshalb sollte man an der besseren Kooperation der Staaten und Staatengruppen arbeiten, sie aber nicht unter das Dach einer gemeinsamen Regentschaft zwingen. INTERVIEW: HANNES KOCH