Ein berauschter Weltverband

Heute wird die Strecke der Tour de France 2007 vorgestellt, doch der Radsport hat ganz andere Probleme

BERLIN taz ■ Natürlich geht die Show auch im kommenden Jahr weiter. Unverzagt präsentiert die Leitung der Tour de France heute das Streckenprofil der weltweit größten Radsportveranstaltung. Viele Manager und Funktionäre sind in Paris dabei, der Präsident des Weltradsport-Verbandes UCI, Pat McQuaid, fehlt derweil. Die Tour-Leitung hat den Iren nicht eingeladen. Sie hält ihn für nicht satisfaktionsfähig. Das liegt unter anderen am Umgang der UCI mit dem Thema Doping.

Der Verband ist berüchtigt für Verharmlosung, Vertuschung und Verzögerung von Ermittlungen. Gegen Doping kämpft er nicht aus eigenem Antrieb. Nur wenn der öffentliche Druck steigt, wird er aktiv. Der Chef der Welt-Antidoping-Agentur, Dick Pound, hat mehrfach geäußert, dass er der UCI nicht über den Weg traue. Er sehe schlichtweg keine Fortschritte in den Bemühungen, des Medikamentenmissbrauchs Herr zu werden.

Die UCI, gar nicht dumm, wenn’s darum geht, ihre wahren Absichten zu vernebeln, hat nun am Dienstag mit großem Tamtam einen Anti-Doping-Gipfel in Paris einberufen. Teilnehmer: die Vertreter der ProTour-Profirennställe. Die Tour de France hätte es nicht für nötig befunden zu erscheinen, verkündete die UCI in einem Schreiben. Der Chef der Tour-Muttergesellschaft ASO, Patrice Clerc, wunderte sich sehr darüber, denn er hatte gar keine Einladung erhalten. Er mokierte sich auch darüber, ausgerechnet von der UCI in Sachen Doping belehrt zu werden: „Letztes Jahr habe ich bei der Tour-Präsentation die Aufmerksamkeit auf das Thema Doping gelenkt und in Anwesenheit des UCI-Präsidenten ausführlich darüber gesprochen“, sagte Clerc, „man hat mir daraufhin vorgeworfen, ich hätte das Problem übertrieben und den Radsport beleidigt.“

Seitdem ist ja eine Menge passiert. Die spanische Polizei hat belastendes Material gegen vier Dutzend Radprofis zusammengetragen, darunter Jan Ullrich und Ivan Basso. Floyd Landis, im Sommer als Erster in Paris angekommen, wurde mit einem abnormal hohen Testosteronwert erwischt. Der Ruf des Radsports ist schlechter denn je. Das weiß auch der langjährige Renndirektor der Tour, Jean-Marie Leblanc: „Der Radsport muss seine Glaubwürdigkeit wiedererlangen“, fordert er. Aber geht das überhaupt mit diesem Weltverband?

Dick Pound, der Kanadier von der Wada, ist sich da nicht so sicher. Er sieht McQuaid in einer Traditionslinie mit seinem Vorgänger Hein Verbruggen, einem sinistren Advokaten des Radsports. Pound wird sich auch seine Gedanken über den neuesten Vorstoß der UCI-Granden gemacht haben. Der Radsportverband beantragte bei der Wada Amtshilfe, weil es ihnen bei der Aufarbeitung der Blutpanscherei angeblich nicht schnell genug gehe. Wie sagte Dick Pound doch jüngst in Anspielung auf die grundsätzlichen Probleme der UCI: „Es ist ein bisschen wie mit Alkoholismus: Solange man nicht zugibt, dass man ein Problem hat, wird man unmöglich geheilt.“ MARKUS VÖLKER