Europaparlament unterstützt Dialog mit ETA

Trotz heftigen Widerspruchs der Konservativen unterstützt das Europaparlament den Friedensprozess im Baskenland – einschließlich Gesprächen mit ETA unter bestimmten Bedingungen. Die Separatisten werden derweil wieder militanter

MADRID taz ■ Das Europaparlament unterstützt den Friedensprozess im Baskenland. In einer gestern verabschiedeten Entschließung befürwortet die Straßburger Kammer „einen Dialog zwischen den zuständigen Organen des Staates und denjenigen, die sich für den Gewaltverzicht entschieden“ haben, sobald „die geeigneten Bedingungen für einen abschließenden Dialog über die Gewalt erfüllt seien“. Die Entschließung, die auf eine Initiative der Sozialisten des spanischen Regierungschefs José Luis Rodríguez Zapatero zurückgeht, wurde von den Sozialisten, Grünen, Liberalen und der Vereinigten Linken unterstützt. Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Franco Frattini, stellte sich hinter den Friedensprozess, den die spanische Regierung einleitete, nachdem die bewaffnete Separatistengruppe ETA im März einen „permanenten Waffenstillstand“ verkündete.

Mit der Debatte von gestern erreichte die Zerstrittenheit der spanischen Politik zum Thema ETA das Europaparlament. Denn die Europäische Volkspartei (EVP) versuchte auf Drängen der spanischen Partido Popular (PP) alles, um die Resolution zum Scheitern zu bringen. Zum Schluss fehlten nur wenige Stimmen. „Wir sind nicht gegen den Frieden“, erklärte der EVP-Sprecher Hans-Gert Poettering, „sondern gegen einige der eingeschlagenen Wege. Die unterlegene Gegenerklärung erinnert daran, „dass jegliches politische Zugeständnis“ gegenüber terroristischen Organisationen „moralisch und politisch nicht vertretbar ist“. ETA müsse sich zuerst bei den Opfern entschuldigen und die Waffen abgeben.

Stattdessen hatte ETA ein ganz besonderes Geschenk für die Debatte im Europaparlament vorbereitet. Am Dienstag entführte ein Kommando in Frankreich mehrere Angehörige einer Unternehmerfamilie und erzwang so den Zugang zu einer Waffenfabrik in der Nähe des südfranzösischen Vauvert. Die Separatisten erbeuteten mindestens 300 Revolver und 50 Pistolen.

Außerdem nimmt die Gewalt im Baskenland wieder zu. Gruppen vermummter ETA-Sympathisanten stecken am helllichten Tag Linienbusse in Brand. Anschläge auf Parteibüros der Sozialisten gehören ebenso wieder zum Alltag wie Molotowcocktails gegen Gerichte, Bahnhöfe und andere öffentliche Gebäude.

„Der Friedensprozess ist ins Stocken geraten“, gibt so mancher Befürworter des Dialogs mit ETA hinter vorgehaltener Hand zu, und das, obwohl sich Vertreter der spanischen Regierung mit dem ETA-Chef Josu Ternera in der Nähe von Oslo getroffen haben. Auch Batasuna zieht nach mehr als einem halben Jahr Waffenstillstand „eine negative Bilanz“. Die Führung der verbotenen Partei erhoffte sich eine schnelle Wiederzulassung, um im Mai 2007 an den Kommunalwahlen teilnehmen zu können. Die Regierung verweist auf das Parteiengesetz. Batasuna müsse der Gewalt abschwören, um unter neuem Namen zugelassen zu werden. Die Linksnationalisten wollen davon nichts wissen. „Ohne die Abschaffung des Parteiengesetzes ist ein Friedensprozess nicht möglich“, erklärt Batasuna-Sprecher Pernando Barrena immer wieder.

Er wirft der Regierung vor, die nationalistische Linke gezielt verfolgen zu lassen. Der Grund für diese Behauptung sind mehrere Gerichtsverfahren gegen ETA und Umfeld. Erst zu Wochenbeginn wurden die Herriko Tabernas, die Parteikneipen Batasunas, durchsucht. Die Richter wollen den Wert der Einrichtungen klären. Denn Batasuna wurde per Verbotsurteil enteignet.

Der Friedensprozess soll, so scheint es, durch einen runden Tisch aller baskischen Parteien gerettet werden. Die spanische Presse geht davon aus, dass es im Winter zu ersten Treffen kommen wird. Dabei soll über die zukünftige Verfasstheit des Baskenlandes verhandelt werden. Die PP will daran auf keinen Fall teilnehmen. Sie sieht im spanischen und baskischen Parlament die einzigen Institutionen, die dank der Stimmen der Bürger die Legitimität besitzen, über die Zukunft der Region zu entscheiden.

Derweil scheint ETA auf das Druckmittel Waffen nicht verzichten zu wollen. Auf einer Kundgebung für die „gefallenen baskischen Soldaten“ in den Bergen unweit San Sebastiáns traten drei Vermummte auf. „Bis wir Unabhängigkeit und Sozialismus im Baskenland erreicht haben, bekräftigen wir nachdrücklich die Entschlossenheit zum bewaffneten Kampf. Er gehört nicht der Vergangenheit an, er ist die Gegenwart und Zukunft“, riefen sie, bevor sie sieben MP-Schüsse in die Luft abgaben. Für jede Baskenprovinz einen.

REINER WANDLER