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: Beste Verlierer aller Zeiten

TASMANIA Einmal im Jahr trifft sich das Senioren-Fußballteam, das den Bundesliga-Negativrekord hält

Das gibt es in Deutschland nicht noch einmal“, sagt Hans-Günther Becker. Der 72-jährige Organisator und frühere Mannschaftskapitän, von allen nur Atze genannt, spricht vom jährlichen Treffen der alten Herren von Tasmania 1900. Das Besondere ist, dass es sich dabei nicht um eine hochdekorierte Meistertruppe handelt, sondern um just jenes Team, das seit der Saison 1965/66 den Negativrekord der Fußballbundesliga hält: Als schlechteste Mannschaft aller Zeiten stiegen sie damals nach einer Saison mit nur 8 Punkten und 108 Gegentoren ab. Doch das Verliererimage hat offensichtlich zusammengeschweißt. Seit 1997, als ein Fernsehsender darum bat, eine Geschichte mit der ganzen einstigen Mannschaft zu machen, trifft man sich regelmäßig.

Eigentlich ist die Legende von Tasmania längst ein Fall für die Geschichtsbücher. Über sie wird nur geredet, wenn es um katastrophale Niederlagenserien geht, wenn also ein Team wieder besonders schlecht ist. So wie in der vergangenen Saison Hertha BSC. Als die ein Spiel nach dem anderen verloren, tauchten die ersten Vergleiche mit ebenjenen Tasmanen auf. Plötzlich waren die alten Herren wieder ungewollt im Fokus.

Schlechter als Hertha

Vor allem Torhüter Klaus Barsikow war ein gefragter Mann. Viele Hauptstadtmedien wollten mit dem Keeper der größten Schießbude der Bundesliga sprechen. „Am Anfang war das ja noch lustig, aber irgendwann fing es an zu nerven“, erzählt er heute. Nervig, weil er immer wieder das Gleiche erzählen musste und sich die beiden Geschichten, wie er meint, überhaupt nicht vergleichen lassen. „Uns war ja damals von Anfang an klar, dass wir keine Chance haben würden“, sagt er. Schließlich war Tasmania eher eine Hobbykickertruppe, die in die Bundesliga kam, weil mehrere bessere Clubs aus Berlin abgesagt hatten, der Deutsche Fußballbund aber in den Jahren nach dem Mauerbau unbedingt einen Club aus Berlin in der 1. Liga wollte.

Auch mehr als 40 Jahre später zeigt das einstige Bundesligateam, dass Sport viel mit Geselligkeit zu tun hat. Beim Treffen am vergangenen Donnerstag jedenfalls stehen schon um elf Uhr die ersten Biere auf dem Tisch, eine halbe Stunde später kreisen die Schnäpse. Diese Stimmungsmacher gehören zu einer nostalgischen Fußballerrunde wohl dazu. Und die Herren haben eine neue Strategie für sich gefunden: Humor. So erzählt Klaus Barsikow, dass er vor der 0:9-Heimklatsche gegen den Meidericher SV solche Bandscheibenprobleme hatte, dass er Tabletten nehmen musste. Die ungeahnten Nebenwirkungen: Er war so benebelt, „dass ich den Ball immer erst sah, wenn er schon im Netz lag“. Damals fand er das überhaupt nicht lustig, heute kann er drüber lachen. Und als einer den Satz: „Alle dachten damals, jetzt hat Berlin eine neue Truppe: Tasmania“ in die Runde wirft, erntet er großes Gelächter.

Jede Menge Fanpost

Nächstes Jahr wird sogar ein Buch über Tasmania erscheinen. Der Titel? Natürlich „Der ewig Letzte“. Dass auch heute noch Tasmania in Fußballkreisen fast ein Schimpfwort ist, empfinden die Senioren inzwischen eher als Ehre. Und ihre Anhängerschaft ist größer, als man denkt. „Ich bekomme immer noch regelmäßig Fanpost und Autogrammwünsche. Neulich hat mir eine Frau sogar zum Geburtstag gratuliert“, berichtet Hans-Günther Becker.

Natürlich wären sie nicht unglücklich, wenn sie endlich den Status der schlechtesten Bundesligamannschaft loswerden würde. Aber nachdem Hertha letzte Saison dann doch noch ein paar Punkte gesammelt hat, gibt sich hier keiner mehr Illusionen hin: „Vermutlich werde ich das nicht mehr erleben“, sagt Barsikow. Und so werden sie sich auch nächstes Jahr wiedertreffen, die ewigen besten Verlierer aller Zeiten. NICOLAS SOWA