„Europa sollte den Markt öffnen“

Bulgariens Europa-Ministerin, Meglena Kuneva, hält nichts davon, dass sich die EU- Mitgliedstaaten gegen Arbeitnehmer aus Bulgarien nach dessen Beitritt abschotten

taz: Frau Kuneva, Großbritannien hat angekündigt, seinen Arbeitsmarkt für Rumänen und Bulgarien nach dem EU-Beitritt beider Staaten nur ganz begrenzt öffnen zu wollen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Meglena Kuneva: Meine Regierung hat ihre Enttäuschung darüber schon zum Ausdruck gebracht. Doch zuallererst sollten wir loben, was die Briten mit ihrer Politik der offenen Türen nach der ersten Erweiterungsrunde getan haben. Alle EU-Mitgliedstaaten sollten ihre Märkte öffnen. Wir können doch nicht über die Lissabon-Strategie und Wettbewerbsfähigkeit sprechen oder die Bewegungsfreiheit von Arbeitskräften und gleichzeitig den Zugang der Bulgaren zu den Märkten begrenzen. Derartige Beschränkungen nützen weder Europa noch Bulgarien oder Großbritannien. Ich verstehe jedoch die Motive der Briten, weil sie der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in besonderem Maße ausgesetzt waren.

Bulgarien hat Deutschland immer als besonderen Partner in Europa gesehen. Medienberichten zufolge sollen die Parteien im Bundestag eine Erklärung verabschiedet haben, wonach Deutschland bulgarische und rumänische Gerichtsentscheidungen nicht akzeptieren werden, bis die Rechtssysteme beider Länder reformiert sind.

Es ist jetzt nicht der richtige Moment, um solche Vorschläge zu kommentieren. Ich glaube aber, dass sie eine gute Grundlage sind, um zu erklären, wie unser Rechtssystem arbeitet und welche Fortschritte wir gemacht haben. So eine Entscheidung würde vor allem ausländische Investoren treffen. Sie brauchen einen schnellen Zugang zur Justiz.

Ist es Bulgarien bisher nicht gelungen, seine Fortschritte gut genug zu verkaufen?

Das war immer ein Problem, hat aber in mediendominierten Demokratien viel mit der Berichterstattung zu tun. Die hätte besser sein können. Niemand redet über die positive Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft oder die Erfolge unserer Studenten in Deutschland. Deutsche Investitionen in Bulgarien sind um 36 Prozent gestiegen. Dieses Urteil der Wirtschaft ist viel bedeutsamer als viele nicht gerade freundliche Kommentare.

Ihre Aufgabe ist auch, im Ausland für Bulgarien zu werben. Am Sonntag tritt der Nationalist Wolen Siderow bei den Stichwahlen gegen Präsident Georgi Parwanow an. Erschwert das Ihre Arbeit?

Im Gegenteil. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Mehrheit der Bulgaren demokratische Werte und europäisch orientierte Politiker, wie den jetzigen Präsidenten, unterstützt.

Dennoch sind die Protestwähler nicht wegzudiskutieren. Haben die bulgarischen Politiker den EU-Beitritt zu sehr als ein Projekt der Elite begriffen und die Bevölkerung zu wenig miteinbezogen?

Nein, der Beitritt ist kein Projekt der Elite, sondern ein nationales Ziel. Über 70 Prozent der Bevölkerung unterstützen die EU-Mitgliedschaft. Ich halte die Bulgaren für klug genug, zu unterscheiden, was weise ist und was als politische Botschaft unmöglich und zerstörerisch ist. Aber wir müssen wohl noch mehr erklären.

INTERVIEW: BARBARA OERTEL