„Die Bankenaufsicht ist zu schwach“

G 20 Es wird besser reguliert als vor der Krise, sagt Ökonom Hüther. In Deutschland sieht er Defizite

■ 48, ist Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, das von der privaten Wirtschaft finanziert wird.

INTERVIEW HANNES KOCH

taz: Herr Hüther, die zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt, die G 20, haben versprochen, „alle Akteure, Märkte und Produkte“ der globalen Finanzwirtschaft einer Aufsicht zu unterstellen. Halten sie dieses Versprechen ein?

Michael Hüther: Vieles ist geschehen. Die Banken dürfen heute risikoreiche Transaktionen nicht mehr außerhalb ihrer Bilanz verbuchen. Das war eine Ursache der Finanzkrise. Auch andere Regeln sind verschärft worden: Die Institute müssen bald mehr Eigenkapital als Krisenpuffer in Reserve halten, Ratingagenturen brauchen eine Registrierung bei der Finanzaufsicht. Trotzdem aber bleibt ein wesentliches Problem – vor allem in Deutschland und Europa.

Welches?

Die Bankenaufsicht ist nicht kompetent und stark genug, gute Regeln auch durchzusetzen.

Weil die Finanzaufsicht in Deutschland auf zwei Behörden, die Bundesbank und die Bafin, aufgeteilt ist?

Das ist nicht der entscheidende Punkt. Die Aufsicht hinkt den Banken hinterher. Es fehlt den Behörden an Kompetenz, um sich ein eigenes Urteil zu bilden und dann entsprechende Sanktionen durchzusetzen.

Warum ist die Bankenaufsicht Ihrer Meinung nach so schwach?

Ihr mangelt es an Beschäftigten, die die Risikomodelle der Banken durchschauen. Diese Spezialisten können die Bundesbank und die Bafin heute kaum einstellen, weil sie an das Beamten- und Tarifrecht gebunden sind. Die aktuellen Gehälter und Vergütungsstrukturen reichen nicht aus, um die Experten zu bezahlen, die man bräuchte, um den Banken etwas entgegenzusetzen. Deshalb schlage ich vor, die Bankenaufsicht in eine private Rechtsform zu überführen. Bei der früheren Bundesschuldenverwaltung, der heutigen Finanzagentur des Bundes in Frankfurt, ist das gelungen. Zudem sollte die Bankenaufsicht unabhängiger werden. Nur eine kompetente und unabhängige Aufsicht hat das Rückgrat und die Expertise, um die Risikoübernahme der Banken zu begrenzen.

■ Großbanken bekommen mehr Zeit für die Einführung strengerer Regeln. Die G 20 setzte am Freitag zwar ihre Unterschrift unter das „Basel III“-Abkommen, das verschärfte Eigenkapitalvorschriften vorsieht, allerdings bekommen systemrelevante Institute mehr Zeit. Erst Mitte 2011 muss feststehen, wer zu dieser Gruppe gehört. Der regulatorische Rahmen mit Extraaufschlägen für diese Institute soll bis Dezember 2011 stehen – ein halbes Jahr später als geplant. (rtr)

Die Finanzkrise liegt mehr oder weniger hinter uns. Aber gehen die Banken und Investoren heute nicht schon wieder ähnliche Risiken ein wie vor der Krise?

In Deutschland ist das nicht der Fall. Eher kehren die angelsächsischen Banken auf ihren alten Weg zurück. Die Republikaner in den USA scheinen die Lehren aus der Finanzkrise schnell vergessen zu wollen. Nach der Kongresswahl haben sie angekündigt, einige der strengen Regeln, die unter Präsident Obama eingeführt wurden, wieder aufzuweichen.

Die G 20 hat in Seoul die neuen, höheren Eigenkapitalregeln für Banken beschlossen. Wird der Finanzsektor dadurch wirklich sicherer oder handelt es sich um Kosmetik auf hohem Niveau?

Nein, die Maßnahmen sind richtig. Wenn die Banken mehr und besseres Kapital in Reserve halten müssen, werden sie vorsichtiger. Außerdem geraten sie mit besserem Eigenkapital bei Wertberichtigungen nicht in Panik, sodass die Ausbreitung eines Problems begrenzt bleibt. Einige wichtige neue Regelungen fehlen allerdings noch. So wäre es ratsam, wenn systemrelevante Banken größere Rücklagen nachweisen müssten als normale Institute. Ich hoffe, diesen Punkt wird die G 20 demnächst noch beschließen.