Berliner am Bahnsteig

RÜCKFAHRT Wer am Wochenende mit dem Fahrrad ins Umland fährt, muss auf dem Rückweg leiden

Diese irrsinig steile Treppe also? Nicht mit uns

Ich mochte bisher keine Bahn-Hasser. Es zählt zu den beliebtesten Themen zwischenmenschlicher Kommunikation in dieser Stadt, sich über Verspätungen, Zugausfälle und fehlende Reservierungen zu unterhalten. Meist schien mir das reichlich aufgebauscht und übertrieben. Bis Ostern.

Da kamen wir mit unseren Rädern mit der S-Bahn ins schöne Königs Wusterhausen, wo gerade Bauarbeiten stattfinden. Bauarbeiten fand ich bisher eigentlich prima, weil sie zeigen, dass etwas an den Strecken gemacht wird. In Königs Wusterhausen hat man deshalb den Tunnel zwischen den Gleisen gesperrt und eine sehr steile provisorische hölzerne Überführung errichten. Ich habe die Stufen nicht gezählt, aber es sind viele.

Als wir zwei mit den Rädern am Mittag den Bahnsteig verlassen wollten, war die Bahn so nett, dass eine Mitarbeiterin für uns und Dutzende andere Radler einen Weg über die Gleise öffnete. Vorbildlich, dachte ich. Bis wir nach einer Radfahrt entlang der Dahme nach Königs Wusterhausen zurückgekehrt waren, wo der Zug wegen Bauarbeiten endete. Nun war es deutlich später als 18.00 Uhr, und zu so nachtschlafender Zeit sieht die DB Regio es nicht vor, dass Radfahrer, Eltern mit Kinderwagen und Schwangere mit der S-Bahn nach Berlin weiterfahren möchten.

Ja, ich schwöre, all diese Personengruppen waren unter uns reichlich vertreten, als wir an Gleis 1 in Königs Wusterhausen standen, und wir waren viele! Der Fußweg über die Gleise aber blieb verschlossen, weil ab sechse dafür kein DB-Mitarbeiter zur Verfügung steht, wie man uns freundlich mitteilte.

Diese irrsinnig steile Treppe also? Nicht mit uns. Also pilgerten drei bis vier Dutzend wutentbrannte Berliner über die Gleise, wo kräftige junge Männer, das Tor zum Bahnsteig 2 verschlossen vorfindend, dabei behilflich waren, Kinderwagen und Räder über die Sperre zu heben, während sich die Reisenden am besagten Tor vorbeiquetschten. Und ein Lokführer erregt mitteilte, man befände sich unbefugt auf Bahn-Gelände.

Die lauten Flüche möchten Sie nicht lesen, die da auf den Mann niederprasselten, der alsbald ungesehen entschwand, derweil zwei andere Bahnmitarbeiter auf Gleis 1 unsere seltsame Karawane desinteressiert beobachteten, statt dieses verfluchte Tor aufzusperren.

Nun, wir kamen irgendwann alle auf Gleis 2 an, die S-Bahn war natürlich gerade weg und die DB hat bisher – man muss immer das Positive sehen – davon abgesehen, eine Geldbuße wegen unbefugtem Überschreiten der Gleise zu verhängen.

Ich aber habe drei Dinge gelernt: 1. Ziviler Widerstand ist möglich. 2. Bahn-Hassen ist richtig, und 3. Ronald Reagan hatte recht, als er 1988 forderte: „Open this gate!“ KLAUS HILLENBRAND