Stolpersteine für Deserteure

betr.: „Widerstand gegen Stolpersteine“, taz vom 12. 10. 06

Wie konnte das damals geschehen? So fragten mich junge Menschen, weil sie mir ansahen, dass ich altersmäßig Zeitzeuge sein musste, während Gunter Demnig in unserer Stadt eine „Erinnerung in Messing“ in Form eines Stolpersteins in den Gehsteig verlegte. Es war, so antwortete ich, das Fehlen jeglicher humanen Orientierung bei uns deutschvölkisch, nationalistisch, revanchistisch und judenfeindlich Gesinnten, der sogenannten Tätergeneration.

Nicht von ungefähr schrieb Traudl Junge, die Sekretärin Hitlers von 1942 bis 1945, im Vorwort ihres Buches „Bis zur letzten Stunde“ den Satz: „Wir können unsere Biographie nicht im Nachhinein korrigieren, sondern müssen mit ihr leben. Aber uns selbst können wir korrigieren.“ Am 20. Juli verlegte Gunter Demnig in Bamberg, vor dem Haus der Familie des ermordeten Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg einen Stolperstein zum Gedenken an dessen Mut, Hitler zu beseitigen. Damit wurde erstmalig der militärische Widerstand gegen Hitler in Form eines Stolpersteins gewürdigt.

Schon ein Jahr zuvor, am 8. Mai 2005, sechzig Jahre nach Kriegsende, erinnerte der Publizist Henrik M. Broder in einem Essay an eine vergessene Form des Widerstands. Er schrieb: „Die Juden haben ihr Mahnmal, Schwule, Sinti und Roma werden Orte der Erinnerung bekommen. Nur die Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und Wehrkraftzersetzer, die sich dem Mordapparat des Dritten Reichs verweigert haben, wurden ermordet, ohne dass ihrer gedacht wird.“ Ich denke, es ist an der Zeit, dass auch den Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten der Hitler-Wehrmacht, die der Verbrecherfahne entflohen sind mittels eines Stolpersteins ihre Ehre zurückgegeben wird. KARL-HEINZ KLAIBER, Würzburg