Gemeinschaftsschule wird große Klasse

Rot-Rot einigt sich auf kostenlose Kita und Einführung der Gemeinschaftsschule. 22 Millionen Euro gibt es für Modellschulen. Die sollen bis zu 29 Schüler pro Klasse unterrichten. Viel zu viel, kritisieren Befürworter der Schulform

Fast sechs Stunden mussten die Koalitionäre am Mittwochabend nachsitzen. Gegen 23 Uhr hatten sich die Vertreter von SPD und PDS dann endlich auf ihr Programm im Bereich Jugend und Bildung geeinigt, das eigentlich schon um 17 Uhr präsentiert werden sollte. Es ging um die heiklen Themen Gemeinschaftsschule und Gebührenfreiheit für Kitas. Das kurze Ergebnis der langen Verhandlungen: beide kommen.

2007 wird das letzte Kita-Jahr vor Schuleintritt kostenlos sein, ab 2010 bzw. 2011 sollen dann je ein weiteres Jahr beitragsfrei werden. Für die Einführung der neuen Schulform Gemeinschaftsschule vereinbarten die Koalitionspartner die Bereitstellung von 22 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren. Das gemeinsame Lernen bis zur 10. oder gar 12. Klasse soll zunächst an einigen Schulen erprobt werden – mit maximal 29 Schülern pro Klasse. Ob das Geld für 25 oder 40 Gemeinschaftsschulen reiche, hänge von den Konzepten der Modellschulen ab, sagte PDS-Landeschef Klaus Lederer. Die Teilnahme an dem Modellprojekt soll auf freiwilliger Basis erfolgen.

Kritik an den Plänen der Koalitionäre kommt von Gegnern ebenso wie von Befürwortern der neuen Schulform. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe sein Versprechen, keinen „Kulturkampf“ gegen die Gymnasien eröffnen zu wollen, mit diesem „Einknicken“ gebrochen, sagte die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben. Die Liberalen lehnen die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems ab. Die hohe Investitionssumme von 22 Millionen Euro sei ein „Lockmittel“, um Schulen zur Teilnahme zu überreden, meinte Senfteleben: „Eine solche Finanzierung kann dauerhaft aber nicht durchgehalten werden.“ Positiv bewertet die Liberale dagegen die ebenfalls in den Koalitionsverhandlungen beschlossene Neuerung, Schulen künftig mit Etats zur eigenständigen Organisation von Vertretungslehrern auszustatten: Das sei „FDP pur“, so Senfteleben.

Als „Geschenk der SPD an die PDS“ und „Fehlinvestition“ bezeichnete Özcan Mutlu (Grüne) die vereinbarten Modellschulen. „Punktuelle Schulversuche ändern nichts an der Situation an den Hauptschulen und auch nichts am selektiven Schulsystem“, so Mutlu zur taz. Auch die Grünen hatten zuvor die Einführung einer neuen Schulform, an der Schüler länger gemeinsam unterrichtet werden, als Modellprojekt vorgeschlagen.

Rosemarie Seggelke, Vorsitzende der Berliner GEW, begrüßt den Einstieg in die neue Schulform zwar. Aber „mit einer Klassenfrequenz von 29 Schülern ist es nicht zu machen“, meint die GEW-Vorsitzende. Dadurch werde die Gemeinschaftsschule zu dem, was „von den Konservativen als Einheitsschule bezeichnet wurde“, so Seggelke. Individuelle Förderung schwächerer SchülerInnen sei unter solchen Bedingungen nicht möglich.

In der PDS ist man mit den Ergebnissen der Verhandlungen trotz solcher Einwände zufrieden. „Da hätten wir uns etwas mehr gewünscht“, sagt PDS-Fraktionssprecherin Kathi Seefeld mit Blick auf die Klassengrößen. Alles andere aber sei „sehr in unserem Sinne“. ALKE WIERTH