leserinnenbriefe
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Türöffner für Evangelisierung

■ betr.: „Kuscheltier für Haiti“, taz vom 11. 10. 10

Am 13. 12. 2006 veröffentlichte die taz bereits einen Artikel über „Geschenke der Hoffnung“ von Konrad Litschko mit der Überschrift „gut verpackte Propaganda“. Herr Litschko stellte dar, dass die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ eine Art Türöffner für Evangelisierung ist, ohne dass den Schenkenden das bewusst ist, und hinter dieser Aktion eine christlich fundamentalistische Gruppe steht. Nun würde ich als Leserin gern wissen, ob und was sich an den geschilderten Zuständen geändert hat.

Aber der taz-Artikel ist völlig unkritisch und nimmt nun die Haiti-Aktion als Aufhänger, um kurz vor dem möglichen Abgabeschluss für die Päckchenaktion einen Werbeartikel zu publizieren. Auf der Website der Initiative ist unter anderem zu lesen: „Schicken Sie ein Kind auf seine ‚größte Reise‘. Mit ‚Weihnachten im Schuhkarton‘ schenken Menschen bedürftigen Kindern in Osteuropa Jahr für Jahr auf einfache Weise Freude und Hoffnung, indem sie einen Schuhkarton mit Weihnachtsüberraschungen füllen. Verteilt werden die Päckchen in den Empfängerländern von Kirchengemeinden verschiedener Konfessionen – denn sie wissen, wo die Not am größten ist. Für Gemeinden sind die Schuhkartons eine wunderbare Gelegenheit, mit Kindern und ihren Eltern ins Gespräch zu kommen – und sie ganz unverbindlich auch zu ihren regulären Veranstaltungen wie Gottesdiensten, Bibelstunden oder Kinderkursen einzuladen. Viele unserer christlichen Partner in Osteuropa verfügen jedoch kaum über eigene Ressourcen, mit denen sie ihren Glauben anschaulich und verständlich erläutern können. Deshalb möchten wir sie mit Lehrmaterial unterstützen: Erstmals bietet Geschenke der Hoffnung e.V. Gemeinden den kindgerechten Glaubensgrundkurs ‚The Greatest Journey‘ („Die größte Reise“) in der jeweiligen Landessprache an.“ www.geschenke-der-hoffnung.org/projekte/evangelisation/ Warum kommen diese Zusammenhänge im Artikel nicht zur Sprache? IRIS WEISS, Berlin

Leserin erwartet mehr

■ betr.: „Kuscheltier für Haiti“, taz vom 10. 11. 10

Guten Tag! Als ehemalige fleißige Weihnachten-im-Schuhkarton-Päckchen-Packerin meine Frage: Warum hat Florian Thalmann nicht genauso differenziert über die Aktion berichtet, wie dies bereits in der taz vor vier Jahren geschah? Siehe: www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/12/13/a0232 Nichts für ungut, nette ältere Herrschaften beim Schuhkarton bekleben sind was Feines, aber eure Leser erwarten mehr! JULIA BELLABARBA, Berlin

„Bliebe eben die Linke“

■ betr.: „Eine Partei sucht einen Migranten“, taz vom 4. 11. 10

Wenn schon Spekulation, wäre es doch wesentlich interessanter zu erörtern, welcher Koalitionspartner für die Grünen infrage käme. Nach den Umfragen der letzten sechs Wochen wären die Grünen die Einzigen, die mit einem einzigen Koalitionspartner auskämen, und da SPD, Linke und CDU schwer in einer Dreierkoalition vorstellbar wären, stünden die Grünen als stärkste Regierungspartei außer Frage. Da aber die SPD nur koalieren möchte, wenn sie dabei stärkste Kraft wäre, tritt diese Variante nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge in den Hintergrund. Ganz indiskutabel wäre auch die CDU als Koalitionspartner angesichts einer Landespartei, von der keinerlei Widerspruch zum derzeitigen antidemokratischen Kurs der Bundespartei zu hören ist. Bliebe eben die Linke. Angesichts der Tatsache, dass sowohl Linke als auch Grüne (bzw. AL) beide die leidvolle Erfahrung gemacht haben, von der SPD als größerem Koalitionspartner unter Druck gesetzt zu werden, könnten diese beiden Parteien zusammen endlich einmal die SPD zur CDU auf die Oppositionsbank verweisen. Für diese mit Abstand interessanteste Koalitionsvariante haben sich auch bereits Politiker der Linken ausgesprochen. Schade, dass diese Variante nicht nur von der Springer-Presse, sondern auch von der taz tabuisiert wird. ORTWIN ZEITLINGER, Berlin

Erbe aus vergangenen Zeiten

■ betr.: „Rot-Rot will Berlinern das Wasser reichen“, taz v. 3. 11. 10

Ich verstehe nicht, weshalb Verträge dieser Art, jener Vertragsparteien, rechtlichen Bestand besitzen sollen. Auch nicht, weshalb hier plötzlich einem Unternehmen aufgrund seines (monopolistischen) Geschäftsgebarens, im Bereich lebensnotwendiger Güter, nicht extrastraffe Regelungen auferlegt werden können oder es gar zum Verkauf gezwungen werden kann. Bestehende Verträge und Regelungen werden doch sonst auch gekippt, abgeändert, aufgeweicht, es wird enteignet und privatisiert, absonderlichste Steuern und Subventionen werden erhoben, wenn es der entsprechenden Lobby nutzt. Ach so, der vom Unternehmen losgelöste Bürger hat ja keine Lobby.

Das Erbe aus vergangenen Zeiten, dass der Politiker, eine Art Vogt, Amtmann sozusagen, den nicht so eloquenten Bürgern, Bauern, Arbeitern die Besitzstandwahrung und Ausbeutung der „herrschenden Klasse“ als rechtens und unabänderlich erklärt, und deren Denken dies akzeptiert, obwohl Herz und Bauch „FALSCH!“ brüllen, ist immer noch überraschend präsent. HENDRIK FLÖTING, Berlin