In der Sonne am Eck

STREETFOOD In Nicaragua grillen Fritangueras auf der Straße Rindfleisch. Dazu gibt es „scheckigen Hahn“

■ ein Kilogramm Rindfleisch

■ vier Lauchzwiebeln

■ eine Zwiebel

■ eine rote Paprika

■ vier Knoblauchzehen

■ eine Tasse Essig

■ ein Esslöffel Senf

■ ein Esslöffel Worcestersauce

■ Pfeffer, Salz

Alle Zutaten in einem Mixer zu einer Marinade verarbeiten. Das in dicke Streifen geschnittene Fleisch über Nacht einlegen. Dann grillen – im Notfall auch im Backofen –, bis es gar ist.

VON RALF LEONHARD

Hinter der mächtigen Kolonialkathedrale von León, die verwittert in den Abendhimmel ragt, steht Doña Livia und heizt ihren Holzkohlegrill an. Sie trägt eine schwarz-weiß gestreifte Bluse und dazu die weiße Schürze der Fritangueras: unten abgerundet und mit Rüschen verziert. Neben ihrem Grill steht ein Holztisch, überzogen mit einer gemusterten Plastiktischdecke, davor eine einfache Bank, so wie sie in Deutschland in Biergärten steht. Dort lassen sich die Kunden nieder, die der Geruch nach gegrilltem Rindfleisch – nach Carne asada – angezogen hat.

Die Garküche, traditionell am Straßeneck aufgebaut, heißt Fritanga. Das kommt von freír – braten –, obwohl für die Zubereitung des Fleisches kein Fett verwendet werden muss. Dafür sind die Beilagen kalorienreich: Zu jeder nicaraguanischen Speise gehört Gallopinto – wörtlich: „der scheckige Hahn“ –, eine Mischung aus Reis und roten Bohnen. Reis und Bohnen können aber auch getrennt serviert werden. Zu den Bohnen empfiehlt sich dann etwas Sauerrahm. Dazu gibt es gebratene Kochbananen: grüne, in dünne Scheiben geschnitten (Tajadas) oder reife (Maduros fritos). Ein Stück Käse kann auch nicht schaden – zum Beispiel ein Weichkäse von der Kuh. Der Salat besteht meist aus Krautstreifen und Tomatenstückchen, häufig ohne besonders raffiniertes Dressing. Wahlweise kann man auch ein Stück Avocado dazulegen oder etwas Guacamole. In Nicaragua wird die Avocadopaste meist mit harten Eiern und vielleicht auch etwas Koriandergrün (Culantro) zubereitet. Leider wird das Bananenblatt als Servierunterlage zunehmend vom Plastikteller verdrängt.

Auch Doña Livia serviert ihre Gerichte auf Plastiktellern. Das Besteck ist zum Glück noch aus Metall. Und heiße Tortillas, die automatisch jedem Gericht beigelegt werden, dienen als Schaufeln und Löffelersatz.

Schnelles Mittagessen

Mais, Bohnen und Kürbis waren die Grundnahrungsmittel der Maya- und Aztekenvölker, die in Zentralamerika herrschten, bis im 16. Jahrhundert die Spanier kamen. Die tiefen Wurzeln der Bohnen versorgten den Boden mit Stickstoff, die großen Blätter der Kürbisse schützten die Erde vor dem Regen, der in diesen Breiten mit großer Wucht vom Himmel prasselt. Der kombinierte Anbau, der die Bodenerosion verhinderte, wurde später von Monokulturen abgelöst. Stickstoff muss jetzt mittels Chemiedünger verabreicht werden, Schädlinge werden chemisch bekämpft. Erst langsam lernen viele Kleinbauern heute wieder, dass die traditionellen Methoden nicht nur billiger waren, sondern insgesamt auch zu höheren Erträgen führten.

Die Fritanga wird gerne für ein schnelles Mittagessen von Büroangestellten oder Verkäuferinnen aufgesucht. Am Abend kommt oft die ganze Familie. Auch Touristinnen und Touristen stellen dort ihren Magen auf die Probe.

Nicht überall ist es so sauber, dass es mitteleuropäischen Standards genügen würde. Doch auch von den Behörden wird zunehmend Wert auf Hygiene gelegt. Vor Kurzem wurde in der Hauptstadt Managua ein Fritanga-Wettbewerb veranstaltet: Mit sauberem Besteck konnte man punkten, mit geschmackvoller Dekoration und der richtigen Entsorgung der Abfälle. Von 1.650 Bewerberinnen kamen 35 in die engere Auswahl. Die ersten drei durften sich über Geldpreise freuen.

Fritanguera ist ein typischer Frauenberuf. Denn die Vorbereitungen können zu Hause getroffen werden und kleine Kinder begleiten ihre Mütter oft zur Arbeit. Die ganz Kleinen werden an die Brust genommen und dann in einem Gemüsekorb zur Ruhe gelegt. Größere Kinder sind als Küchenhilfe willkommen.

Besser als Burger

Die Sängerin Norma Helena Gadea besang die Fritanguera in ihrem Lied „Virgen pájara María“: „Virgen pájara soleada fritanguera de la esquina …“ – ungefähr: „Jungfrau, Vögelchen, Fritanguera, die in der Sonne am Eck steht …“.

Wo größere Konzentrationen von Nicaraguanern anzutreffen sind, findet man mit Sicherheit auch Fritangas. Ob in Miami, Florida, St. Louis, Missouri oder Newark, New York: Die nicaraguanische Migrantengemeinde zieht dort die Garküche dem Burgerlokal vor. Selbermachen ist möglich. Aber ohne die typische Straßenatmosphäre ist eine Fritanga nur das halbe Vergnügen.

Ralf Leonhard war von 1985 bis 1996 taz-Korrespondent in Zentralamerika

Die Essecke: Unsere Korrespondenten erzählen hier jeden Monat, was in ihren Ländern auf der Straße gegessen wird. Philipp Maußhardt schreibt über vergessene Rezepte, Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, und Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche