LESERINNENBRIEFE
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Das ist kein „Zickenkrieg“

■ betr.: „Haut den Feminismus“, taz vom 13. 11. 10

Wie gut, dass es Ines Kappert gibt, denn am Samstag hatte ich endlich wieder die taz in der Hand. Die vorherige Berichterstattung zum Interview von Frau Schröder war nämlich – mit Verlaub gesagt – unterirdisch! Ich fand es mehr als erstaunlich, dass die taz den Disput zwischen Schwarzer und Schröder nicht als das entlarvt, was er eigentlich ist, nämlich ein Streit zwischen zwei unterschiedlichen politischen Grundhaltungen. Es geht nicht um einen „Zickenkrieg“ oder darum, ob die feministischen Thesen der 70er Jahre heute noch aktuell sind. Es geht darum, wie die zuständige Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ihre Politik versteht und welche Klientel sie bedient. Es geht darum, dass sie die Kategorie Geschlecht wieder biologisch denkt und damit jeder steuernden Frauenpolitik den Boden entzieht. Es geht darum, dass sie ohne wissenschaftliche Beweise den Lehrerinnen eine Mitschuld am angeblichen Schulversagen der Jungen gibt, und es geht darum, dass für sie Wirtschaft in erster Linie freies Handeln ohne staatliche Vorschriften bedeutet. Dass der Streit zwischen zwei Frauen geführt wird, ist eigentlich nebensächlich, oder glaubt ihr immer noch, dass alle Frauen qua Geschlecht Feministinnen sein müssen? KERSTIN WOLFF, Kassel

Nebenwirkungen unvorhersehbar

■ betr.: „Zahlen, bis der Arzt kommt“, taz vom 12. 11. 10

Die Einschätzung des Artikels, dass mit dem Prinzip der Kostenerstattung eine Dreiklassenmedizin eingeführt wird und dass es sich um einen massiven Schlag gegen das Solidarprinzip handelt, teile ich voll und ganz. Hier werden die Interessen der Ärzte nach (noch) höheren Einkommen und der privaten Versicherer bedient. Ich denke, jede Gesundheitsreform hatte unvorhersehbare Nebenwirkungen. Aber diese Reform ist so unverschämt von Lobbyinteressen geprägt, dass es nicht mehr übersehen werden kann.

Bei der Kostenerstattung kann der Patient vorher gar nicht wissen, ob eine Leistung überhaupt erstattet wird. Jetzt werden ja schon vielfach sogenannte IGeL (=individuelle Gesundheitsleistungen, die nicht als Kassenleistungen anerkannt sind, weil sie medizinisch nicht unbedingt notwendig sind) angeboten, ohne die vorgeschriebenen Verträge und Aufklärungen darüber. Diese werden dann in die Rechnungen einfließen. Das heißt, dass die finanziellen Belastungen der Versicherten unabsehbar werden, und das neben den erhöhten Beiträgen! INGELORE FOHR, Düsseldorf

Besondere Honorartabelle

■ betr.: „Zahlen, bis der Arzt kommt“, taz vom 12. 11. 10

Ich finde es schade, feststellen zu müssen, dass von der taz nicht korrekt recherchiert wird. Ich beziehe mich mit dieser Kritik auf die Darstellung der Privathonorare der Ärzte: 2,5-facher Satz bedeutet nicht 2,5-fach vom Honorar, das gesetzliche Krankenkassen (KK) bezahlen. Die privaten Krankenkassen haben eine gesonderte Honorartabelle, von dieser wird der 2,5-fache Satz genommen. Um es zu verdeutlichen: Die gesetzlichen KK honorieren eine genehmigte Psychotherapiestunde mit ca. 82 Euro, von den PrivatpatientInnen erhalte ich bei 2,5-fachem Satz 100,56 Euro pro Therapiestunde.

INSA KLINGBERG, Balingen

Solidarprinzip außer Kraft gesetzt

■ betr.: „Zahlen, bis der Arzt kommt“ taz vom 12. 11. 10

Das Prinzip der Kostenerstattung und die damit verbundenen Mehrkosten für den Patienten zeigen in aller Deutlichkeit die gegenwärtigen Entwicklungen unseres als überholt geltenden Wohlfahrtsstaates. Marktwirtschaftliche Elemente erlangen eine derart große Bedeutung, dass das traditionsreiche Solidarprinzip einfach mal so außer Kraft gesetzt werden kann. Selbstverständlich nur zum Wohle des Bürgers, der aus den Fesseln des paternalistischen Staates befreit werden soll, um selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln zu können. Doch eine Zuschreibung von Verantwortung unterstellt Handlungsfähigkeit und Handlungsautonomie. Wo sind diese in unserem Staat zu finden, in dem die Politik einerseits durch ständige Leistungs- und Angebotskürzungen die Ressourcen der Menschen zunehmend verkleinert und andererseits die Mündigkeit der Bürger durch die Vorgabe von verpflichtenden Normen einschränkt? Ein derartiger Widerspruch kann nur zu einer größeren Zahl überforderter Menschen führen, statt zu einer Gesellschaft mit eigenverantwortlichen Bürgern, die die teils absurden Abrechnungen der Ärzte hinterfragen könnten! NELE GROHER, Frankfurt am Main

So gehen Angriffe nach hinten los

■ betr.: „Guttenberg auf Köhlers Spuren“, Hauptsache, nicht allein“, taz vom 10. 11. 10

Köhler hat behauptet, dass die Bevölkerung in Deutschland weiß, dass die Auslandseinsätze auch der Wahrung wirtschaftlicher Interessen dienen können und dieses billigt. Guttenberg will uns so weit bringen. Das ist was anderes. Die SPD möchte die Einsätze weiter als Verteidigung unserer Freiheit und Demokratie deuten. Und das Grundgesetz gestattet Angriffskriege, wenn sie denn im Zusammenhang mit der Nato erfolgen. Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat aber schon nach zwei Weltkriegen kapiert, dass Angriffe auch nach hinten losgehen können. Warum will die politische Kaste in diesem Lande nicht verstehen, dass wir nicht wollen, dass uns unsere schöne Demokratie um die Ohren fliegt? MARIANA MUNK, Hamburg