Der Bock muss Gärtner bleiben

WAHLEMPFEHLUNG Die Fifa ist nur von oben zu reformieren – zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Rechtsprofessors Mark Pieth

VON JOHANNES KOPP

Wer hätte das gedacht? Sepp Blatter, Fifa-Präsident, wird als Garant für einen Reformprozess betrachtet, an dessen Ende die Glaubwürdigkeit seines Weltfußballverbands wiederhergestellt sein soll. Der Blatter, unter dessen Aufsicht sich in den letzten 16 Jahren unzählige Korruptionsaffären frei entfalten konnten.

Genau so kann man den Abschlussbericht des Independent Governance Comitee (IGC) lesen, der diese Woche dem Exekutivkomitee der Fifa zugestellt wurde. Das IGC, dem der Basler Rechtsprofessor Mark Pieth vorsteht, wurde im Zuge der zahlreichen Korruptionsaffären im November 2011 als unabhängiges Organ von der Fifa beauftragt, die Reformen der Organisation zu überwachen. Antikorruptionsexperte Pieth stellt in seinem jüngsten Bericht eben insbesondere Blatter ein gutes Zeugnis aus.

Der Fifa-Präsident, so heißt es in dem IGC-Papier, habe nicht nur Veränderungen wie etwa die Schaffung von unabhängigen Kontrollorganen im Bereich der Verbandsjustiz, Finanzen und Ethik vollzogen. Er sei außerdem bereit gewesen, „einen großen Teil des restlichen Reformpakets durch den Kongress zu bringen“, doch sei dabei insbesondere am mächtigen europäischen Kontinentalverband, der Uefa, gescheitert. Die Rede ist von den empfohlenen Reformschritten der Alters- und Amtszeitbegrenzungen, Gehältertransparenz und von zentralen Integritätsprüfungen von Fifa-Funktionären und Mitarbeitern, die bislang nicht durchgesetzt werden konnten.

In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erklärte Mark Pieth dieser Tage gar: „So paradox das klingt: Die Reformchancen sind vermutlich am größten, wenn Blatter noch mehr Zeit bekommt. Die Reform geht von oben nach unten.“ Entgegen den eigenen Vorschlägen, künftig Amtszeiten zu begrenzen – „Das IGC betonte, dass die Einführung von Amtszeitbeschränkungen eine Schlüsselkomponente der guten Governance ist“ –, verknüpft Pieth seine Hoffnungen auf eine Erneuerung der Organisation exklusiv mit dem 78-Jährigen Dauerpräsidenten Blatter. Dem wird diese erstaunlich offensive Wahlempfehlung von seinem eigentlich zur Neutralität verpflichteten Landsmann gefallen. Denn es gilt als sehr wahrscheinlich, dass Blatter auf dem Fifa-Kongress in São Paulo am 10. Juni seine erneute Kandidatur für eine weitere Amtszeit erklären wird. Nächstes Jahr steht die Präsidenten-Wahl auf der Fifa-Agenda. Seinen derzeit größten Rivalen, Uefa-Chef Michel Platini, als möglichen Nachfolger zu verhindern, dürfte Blatter schon Motivation genug sein.

Sein Engagement für Reformen kann man insofern auch als Mittel zum Zweck des Machterhalts interpretieren. Mark Pieth erklärte gegenüber der NZZ über seine Erfahrungen in der Fifa: „Da geht es vielfach nicht um pro oder contra Reform, sondern um politische Ränkespiele, um Personen, Rivalitäten.“

Schon aus diesem Grund ist die teils wohlwollende Bewertung des Reformprozesses durch die IGC mit Vorsicht zu genießen. „Wir erleben den Beginn eines Wechsels der ethischen Kultur der Organisation“, heißt es etwa in dem Abschlussbericht. Wobei die Gefahren, die auf die Fifa lauern, deutlich offensiver benannt werden. So wird angeprangert, dass Aufklärung über die dubiosen und intransparenten WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 – die Korruptionsspekulationen Tür und Tor öffneten – bislang ausbleibt. Wenn die Fifa die Skandale der vergangenen Jahre hinter sich lassen wolle, müssten Antworten auf alle Fragen zu diesen Entscheidungen gegeben werden, empfiehlt die IGC. Dies wäre auch eine Gelegenheit für die Fifa zu zeigen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt hat. Bekannt geworden sind ja bereits Millionenzahlungen des ehemaligen katarischen Spitzenfunktionärs Mohamed Bin Hammam an dessen karibischen Vorstandskollegen Jack Warner, nur Tage nach der Kür Katars.

Noch dieses Jahr will Chefermittler Michael Garcia von der Fifa-Ethikkommission seinen Untersuchungsbericht vorlegen. Wenn sich Präsident Sepp Blatter weiterhin als Reformer profilieren will, sollten die Ergebnisse mehr zutage fördern, als ohnehin schon bekannt ist.