Robuste Zweifel

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Hat die Bundesregierung die am 13. September erteilte Zustimmung des Bundestages zum Einsatz der deutschen Marine vor der Küste Libanons im Rahmen der UNO-Mission Unifil II durch einen „Wortbruch“ und „die Täuschung des Parlaments“ über die Einsatzbedingungen erschlichen? Diesen schwerwiegenden Vorwurf erhob gestern die FDP-Opposition gestützt auf ein am Vortag bekannt gewordenes Protokoll einer Vereinbarung zwischen der UNO und der libanesischen Regierung vom 12. Oktober (siehe Text unten).

Informationen der taz aus der für die Koordination der Unifil-Mission zuständigen Abteilung für Friedensoperationen (DPKO) in der New Yorker UNO-Zentrale scheinen die Behauptung zu bestätigen. Das Protokoll der Vereinbarung zwischen der DPKO und der Regierung Libanons vom 12. Oktober wurde am Mittwoch vom Bundesverteidigungsministerium an den Verteidigungsausschuss des Bundestages übermittelt. Laut diesem Papier hat der von der deutschen Bundesmarine geführte internationale Flottenverband innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer lediglich völlige Bewegungs- und Handlungsfreiheit im Gebiet sechs bis zwölf Meilen vor der Küste.

Für die Sechs-Meilen-Zone sind die Einsatzmöglichkeiten des Flottenverbandes dagegen erheblich eingeschränkt: „Operationen … in den TTW (territorialen Gewässern) zwischen null und sechs Seemeilen“ dürfen die deutschen und die anderen an dem internationalen Marineverband beteiligten Kriegsschiffe und Patrouillenboote nur „auf Anforderung Libanons“, durchführen, heißt es in dem Protokoll. Das „Boarding“ (Betreten) fremder Schiffe sowie die „Beschlagnahme“ von Waffen dürfen „nur durch libanesische Kräfte“ erfolgen „oder in deren Beisein“.

Ein hochrangiger Vertreter der DPKO erklärte auf Anfrage der taz, dieses Protokoll vom 12. Oktober enthalte „nichts Neues“ und „keine Veränderungen im Vergleich zu den bereits vor dem 13. September getroffenen Absprachen zwischen dem Libanon, der DPKO und den am Unifil-Einsatz beteiligten Ländern“. Hingegen hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung am 13. September vor dem Bundestag erklärt, eine Sechs-Meilen-Sperrzone für die Bundesmarine sei vom Tisch. „Wir können den gesamten Bereich befahren“, versicherte die Kanzlerin seinerzeit. Libanesische Verbindungsoffiziere hätten kein Veto-Recht beim Einsatz gegen verdächtige Schiffe. Die Kontrolle von Schiffen solle gegen den Widerstand der Besatzung möglich sein.

Die deutsche Marine hat erst vor elf Tagen das Kommando des UN-Einsatzes zur Überwachung der libanesischen Küste übernommen. Die historische erste Bundeswehr-Mission im Nahen Osten war am 20. September vom Bundestag beschlossen worden. Die freie Handlungsfähigkeit der Marine in der Sechs-Meilen-Zone war bei den Beratungen ein zentraler Punkt.

Derzeit sind auf den acht deutschen Schiffen rund tausend Soldaten im Einsatz. Zum deutschen Marineverband gehören zwei Fregatten, vier Schnellboote, ein Tender und ein Einsatzgruppenversorger. Grundlage für den Einsatz ist die UN-Resolution 1701, die die Grundlage für einen langfristigen Friedensprozess im Libanon darstellen soll, um am Ende die Souveränität der libanesischen Regierung auf ihrem gesamten Territorium sowie in ihren Hoheitsgewässern wiederherzustellen.