Der Pendleraufstand

Fahrgäste lassen sich Verspätungen nicht mehr bieten und sammeln Unterschriften gegen die Zustände in Regionalzügen. Pro Bahn und der Landtag machen Deutsche Bahn verantwortlich

VON MORITZ SCHRÖDER

Mit jedem Zug steigt die Wut: Seit drei Wochen werden in Regionalbahnen in NRW Unterschriften für bessere Bedingungen in den Zügen gesammelt. Zwei Frauen aus Kamen, die seit mehreren Jahren morgens mit dem Regionalexpress nach Essen fahren, protestieren damit gegen „katastrophale Zustände“. Rund 1.800 Fahrgäste haben den Protest schon mit ihrer Unterschrift unterstützt, so Initiatorin Beate Löbbecke. „Die Ausfälle häufen sich seit drei Wochen“, sagt auch Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn in NRW. Die Ursache dafür sieht er vor allem im Sparkurs des Anbieters Deutsche Bahn Regio, der laut Landes-Verkehrsministerium rund 80 Prozent aller Nahverkehrszüge im Land betreibt.

Löbbecke klagt nicht nur über regelmäßig verspätete Züge. Häufig funktionierten auch Toiletten und Türen nicht. „Ende September fuhr meine Bahn statt mit fünf nur mit drei Wagen. Da brach die blanke Panik aus“, erzählt Löbbecke. Dominick Vinbruck von Pro Bahn im Ruhrgebiet bestätigt, dass Zugtüren oft Tage lang beschädigt bleiben. Sein Kollege Ebbers kennt Züge, die „nur mit der Hälfte der nötigen Wagen fahren“. Hinzu komme, dass der Betreiber DB Regio seine Wagen-Reserve reduziert habe. Nicht für alle Wagen, die repariert werden, gebe es Ersatz. Oft würden ersatzweise langsamere Fahrzeuge eingesetzt.

Auch die Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag sind auf die Probleme aufmerksam geworden. In einem gemeinsamen Antrag forderten alle Fraktionen am Donnerstag, die Deutsche Bahn müsse ihr Angebot im Nahverkehr „im Hinblick auf Pünktlichkeit, die Sauberkeit und den Service“ deutlich verbessern. Mehr als 0,7 Prozent aller Züge der DB Regio fiel vergangenes Jahr wegen unzuverlässiger Wagen aus. Damit schnitt das Unternehmen sehr viel schlechter ab, als die kleineren privaten Betreiber, wie Daten der Agentur Nahverkehr belegen.

Die Deutsche Bahn nimmt die Kritik gelassen: „Ausfälle und Verspätungen sind Dinge, die in einem langen Pendlerleben vorkommen können“, sagt DB Regio-Sprecher Gerd Felser, der angeblich fast jeden Tag pünktlich mit dem Zug ankommt. Es gebe „angemessenen Ersatz“ für alle Wagen, auch wenn nicht für jeden Zug einer in Reserve gehalten werde. In letzter Zeit habe es Probleme beim Wagenmaterial auf den Linien RE6 (Düsseldorf-Minden) und RE1 (Aachen-Hamm) gegeben, was inzwischen aber behoben worden sei.

Bahnkundin Löbbecke fühlt sich nach zahlreichen Beschwerden von der Deutschen Bahn nicht ernstgenommen: „Eine Frau an der Hotline hat mir geraten, doch einfach mit dem Auto zu fahren.“ DB-Sprecher Felser weist ihre Vorwürfe als „zu pauschal“ zurück: „Darauf können wir nicht eingehen“. Das möchte dafür Landes-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU). Er will die gesammelten Unterschriften Anfang November offiziell entgegen nehmen.