„Eigentlich ist es lästig“

Braunschweig beendet die Sommerzeit: Andreas Bauch, der Leiter des Bundes-Zeitlabors, erläutert in der taz die Unbilden der Uhren-Umstellung

INTERVIEW VONBENNO SCHIRRMEIITER

taz: Herr Bauch, sind Sie derjenige, der diese Nacht den Schalter von Sommer- auf Winterzeit umlegt?

Andreas Bauch: Nein, man braucht am Sonntag niemanden, der einen Schalter umlegt. Die Systeme, die die Zeitinformation in die Öffentlichkeit tragen, sind so programmiert, dass das in der Nacht automatisch geschieht.

Also kein Großeinsatz?

Diesmal macht die Phyikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) einen Gag daraus, mit einer „langen Nacht der Zeit“. Deshalb erlebe auch ich die Umstellung jetzt erstmals live. Bisher habe ich da immer geschlafen: Da gibt’s ja nichts zu tun.

Weil das Programm schon im Hintergrund mitläuft?

Wenn man so will, ja. Wir haben drei Dienste, über die die Öffentlichkeit die Uhrzeit erfahren kann. Der Internetzeitdienst ist von der Umstellung völlig unberührt, weil er nur koordinierte Weltzeit verbreitet. Dann gibt es den Telefon-Zeitdienst. Da wird über ein Terminal eingegeben, wann die Sommerzeit endet. Das ist schon erfolgt.

Und der dritte Dienst...?

Das ist der populärste: Der Langwellensender DCF 77, über den die Funkuhren gesteuert werden. Da ist es genauso: Die Steuergeräte stehen in Mainflingen, nicht hier in Braunschweig.

Warum denn da? Das liegt doch bei Frankfurt?

Bei Hanau! Das liegt daran: In den 1960er-Jahren hat die Deutsche Bundespost dort eine Sendestelle betrieben und angefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, dort Zeitzeichen auszustrahlen. Eine solche Sendestelle hat man oder nicht. Die baut man nicht mal einfach woanders auf: Das Genehmigungsverfahren ist beliebig kompliziert, die Installation aufwändig, und das kostet einen Haufen Geld.

Geht durch die Strecke bis Hanau nicht die ganze Genauigkeit wieder verloren?

Wir haben das technisch so gelöst, dass dort von uns Atomuhren stehen, als kommerzielles Produkt. Die kann man kaufen – kosten bloß 50.000 Euro. Dort wird also das Signal erzeugt, hier wird es kontrolliert. Die Genauigkeit, mit der man in der PTB Zeitintervalle realisieren kann, ist mit Langwelle aber ohnehin nie zu erreichen: Von daher ist es egal, wo der Sender steht.

Und wie wird da umgestellt?

Da muss man das Datum auch per Hand eingeben. Aber auch das ist schon geschehen.

Ziemlich populäre Aufgabe: Ist die beliebt?

Also ganz so dolle ist das nicht. Man wohnt da im Hotel und hängt auf diesem Gelände von der Telekom rum, fern aller Infrastruktur: Wenn man zum Bäcker will, muss man eine Viertelstunde Auto fahren. Dann gehört noch dazu, eine Check-Liste zu führen, ob man eingestellt hat, was man wollte. Sonst fährt der Mensch da nachher hin, um die Sommerzeit einzustellen, kommt nach Hause und hat’s vergessen. Da macht man so’n Formblatt.

Klingt prosaisch…

Ja, eigentlich ist es lästig. Was aber stimmt: Hier auf dem Gebiet Zeit zu arbeiten, verschafft eine gewisse Popularität. Das ist für mich diese Woche das dritte Zeitungsinterview, zweimal war das Radio am Telefon, und gleich kommt das NDR-Fernsehen – na wunderschön! Dreh’n die halt zum 99sten Mal in der Atomuhrenhalle die Atomuhren. Bitte, könnense haben.

Wenn die Zeitumstellung eher lästig ist, könnte man sie dann nicht ausfallen lassen?

An der Entscheidung hat die PTB keinen Anteil: Wir sind nur ausführende Stelle. Unser Auftrag ist es, die gesetzliche Zeit darzustellen. Die Einführung der Sommerzeit beschließt die Bundesregierung. Und die wandelt damit auch nur eine Vorgabe der Europäischen Kommission um.

Eine politische Entscheidung – das müsste aus naturwissenschaftlicher Sicht doch ein Ärgernis sein?

Also ich würde da nicht die Naturwissenschaften bemühen. Den Atomuhren passiert ja nichts: Die werden weder in der PTB noch in Mainflingen umgestellt. Deren Zeitsystem ist immer koordinierte Weltzeit. Alles andere wäre Konfusion.

Das heißt, es wird nur die Maske verschoben…

Da wird nichts verschoben. Nur die Benennung ändert sich: Jeder Sekunden-Tick, den wir versenden, hat ein Label. Das setzt sich zusammen aus dem Kalenderdatum und der Uhrzeit in Stunde, Minute und Sekunde. In dieser Nacht bekommt es eben eine andere Stundenzählung.

Kann dabei irgendetwas schief gehen?

Irgendetwas kann immer schief gehen.

Was?

Unser System erzeugt das Signal dreimal und schaltet nur dann auf Sendung, wenn mindestens zwei Kanäle identische Informationen liefern. Wenn es da unten drunter und drüber ginge, würde nichts gesendet. In der Nacht der Zeitumstellung würden das allerdings viele merken: Wenn dann der Sender nicht in der Luft wäre, bekämen die Uhren kein Signal, umzustellen. Das ist aber noch nie passiert.

Welche Folgen hätte das?

Laut Gesetz gilt ab diesem Datum die Mitteleuropäische Zeit – egal, was die Uhren anzeigen. Die Bahn müsste also auch dann nach dem neuen Fahrplan fahren, wenn die Uhren – hypothetisch – etwas anderes anzeigen. Das ist natürlich nicht so leicht.