Das Kreuz mit dem Süden

Für die norddeutschen Unis gibt es in der „Exzellenzinitiative“ auf Jahre hinaus wohl nichts zu gewinnen. Dennoch will Bremen Teile der Ausbildung nach Niedersachsen abschieben und Studiengebühren erheben – um ausgezeichnet forschen zu können

VON JAN ZIER

Bremen war ohne Chance. Und es wird vermutlich auch im kommenden Jahr keine haben – wenn es wieder darum geht, deutsche „Spitzenuniversitäten“ zu küren. So wie der ganze Norden wohl keine Chance haben wird. „Der Süden hat zu recht gewonnen“, sagt Wilfried Müller, Rektor der Uni Bremen, wenn er über die kürzlich abgeschlossene erste Runde der so genannten „Exzellenzinitiative“ spricht. Denn außer den Bayern und Baden-Württembergern betrieben eigentlich fast alle Bundesländer eine „katastrophale Wissenschaftspolitik“, sagt Müller. Außer den Bremern, natürlich.

Dass München gewonnen hat, dass seine beiden Universitäten jetzt 380 Millionen Euro zugesprochen bekamen, ist also nicht das Problem. Jedenfalls nicht für Müller. Auch wenn Göttrik Wewer, Staatsrat im Bremer Wissenschaftsressort, moniert, dass von den 1,9 Milliarden Euro, die jetzt zu vergeben waren, nur 14 Prozent in den Norden oder Westen der Republik flossen.

Der Wettbewerb um die deutschen Elite-Universitäten hat die Wissenschaftslandschaft nachhaltig verändert – auch und gerade im Norden. Mehr, als jedes Hochschulgesetz das könnte. „Hier wird die heute bestehenden Forschungslandschaft zementiert“, sagt Wewer – und ihre Ungleichheit. Zugunsten der Forschung, zugunsten von zwei, vielleicht drei Spitzen-Universitäten, die sicherlich im Süden der Republik zu finden sein werden.

Die Bayern sind „praktisch uneinholbar“, davon ist Wewer überzeugt – jedenfalls, wenn der Wettbewerb sich nicht gründlich ändere. Uneinholbar nicht nur für Bremen, sondern für den gesamten Norden: „Die anderen“, sagt Wewer „haben kaum noch eine Chance“ – es sei denn als Außenseiter. Vor allem dann, wenn sie nicht mit internationaler Reputation aufwarten können. So kam die Uni Bremen zwar in die Runde der letzten zehn, erhielt am Ende aber nur eine „Graduiertenschule“ gefördert – macht insgesamt fünf Millionen Euro. Nur der Imagegewinn für Bremen, der ist „ungemein groß“, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel.

Ein Gewinn, der auf Kosten der Studierenden gehen könnte, vor allem in Bremen, aber mit Auswirkungen auf den ganzen Norden. Die Uni Bremen will sich – als einziger Leuchtturm weit und breit – weiterhin als „Forschungsuniversität“ profilieren. „Wir müssen uns auf Schwerpunkte beschränken“, sagt Müller, „und haben keine andere Chance, als uns von einigen Bereiche zu trennen“. Schon jetzt nimmt die Hochschule 800 Studierende weniger auf als noch vor einem Jahr. Welche Studiengänge geschlossen werden, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass einige Lehramtsstudiengänge betroffen sind, und auch Geisteswissenschaften haben nur dann eine Chance, wenn sie in der Lage sind, Drittmittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu akquirieren.

Der DFG geht es, wie auch den Bremer WissenschaftspolitikerInnen, um eine „Konzentration der Kräfte – auch über die Landesgrenzen hinweg“. Forschung und Exzellenz – oder Ausbildung der Masse, das sind zukünftig die Alternativen. Bremen will sich für ersteres entscheiden – und mit den anderen Bundesländern im Norden „über eine neue Arbeitsteilung reden“. LehrerInnen für Bremen ausbilden, finden einige bremische PolitikerInnen, das kann auch Niedersachsen. Gleiches gilt auch für ChemikerInnen. DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker kann sich sogar „Hochschulen ohne Studenten“ vorstellen. Und dass JuristInnen, Betriebswirte und IngenieurInnen auch von Fachhochschulen ausgebildet werden könnten.

In den Bremer Überlegungen spielt dabei auch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Rolle. Wer „überproportional“ in seine Hochschulen investiert, so die Karlsruher RichterInnen, der kann keine „extreme Haushaltsnotlage“ für sich beanspruchen. Doch genau das möchte Bremen – in der Hoffnung auf weitere Finanzhilfen. Was in Berlin „überproportional“ ist, wurde dabei an Hamburg gemessen. Noch ein Grund für Bremen, einen guten Teil seiner Ausbildungskapazitäten nach Niedersachsen zu verlegen. Denn in fünf Jahren, da rechnet sich auch Rektor Müller wieder Chancen aus, ganz vorne dabei zu sein im Exzellenzwettbewerb.

Bis dahin hat sich Müller vielleicht auch mit seinem Wunsch nach allgemeinen Studiengebühren durchgesetzt. Noch ist die Bremer SPD offiziell dagegen, doch hinter den Kulissen, sagt Müller, würde sie schon ganz anders reden, ebenso wie Teile der Grünen. Wewer schweigt dazu, sein Ressort ist SPD-geführt. Wenn jeder zweite Studierende 1.000 Euro im Jahr zahle, rechnet Müller vor, dann kämen in Bremen zehn Millionen Euro im Jahr zusammen. Ein Gutteil der Summe, die man sich von der Exzellenzinitiative erhofft hatte. Dennoch wird das Gros der Studierenden nichts vom Elite-Wettbewerb haben. „Wir haben sie nicht mitgenommen“, sagt Müller dann.