Der Wochenendkrimi
: Einsam in der Masse

„Tatort: Das letzte Rennen“, So., 20.15 Uhr, ARD

Fritz rennt. Und er lässt sich von nichts und niemandem aufhalten. Auch nicht von dem Verbrecher, der ihm einst Rache geschworen hat und gerade aus dem Knast ausgebrochen ist. Der Geist von Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) ist matt, seine Waden sind straff. Seit Monaten hat der amtsmüde Polizist seinen Körper auf diesen Tag vorbereitet: den Messe-Frankfurt-Marathon. Also geht er trotz aller Warnungen an den Start. Als gleich zu Beginn ein junger Schwede von einem Scharfschützen erschossen wird, scheint klar zu sein, dass ihm tatsächlich jemand nach dem Leben trachtet. Doch der Lauf kann nicht gestoppt werden, Kollegin Sänger (Andrea Sawatzki) muss unter 15.000 über die Stadt verteilten Läufern ermitteln.

Minimalismus und Masse – aus diesem scheinbaren Widerspruch entwickelt dieser „Tatort“ eine beachtliche Dynamik. Gedreht wurde mit neun kleinen Teams während des letzten Marathons, so verschwindet die Filmfigur Dellwo immer wieder in der realen Läufermenge.

Das Drehbuch stammt von Judith Angerbauer und Lars Kraume; Letzterer hat als Regisseur ja schon im Beziehungsroadmovie „Keine Lieder über Liebe“ Fiktion mit Live-Improvisation atmosphärisch aufzuladen verstanden. Und „Tatort“-Regisseur Edward Berger ringt dem authentischen Marathon-Setting mit einfachen Kniffen größtmögliche Verstörung ab: Oft wählt er die Totale als Perspektive, die sich dem anonym bleibenden Sniper auf das Getümmel bietet. Der Blick von oben offenbart so nüchtern wie grausam die Gefahr. Denn die Menge bietet hier keinen Schutz, vielmehr potenziert sich mit der Massierung der Menschen die Schutzlosigkeit des Einzelnen. Ein kleiner, doppelbödiger und sportiver Thriller, bei dem der verzagte Held laufen kann, so viel und so schnell er will. Ans Ziel kommt er natürlich nicht. CHRISTIAN BUSS