„Schwer zu erreichen“

UNIVERSITÄT Eine Tagung diskutiert, wie sich Armutsgefährdete besser erforschen lassen

■ 38, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen.

taz: Frau Schäfer, was genau ist das Problem in der Erforschung besonders armutsgefährdeter Menschen?

Andrea Schäfer: Sie sind für WissenschaftlerInnen mitunter nur schwer zu identifizieren und zu interviewen. Mit den Methoden der klassischen empirischen Sozialforschung, insbesondere bei der Stichprobenauswahl und Datenerhebung, sind solche Bevölkerungsgruppen schwer oder nicht zu erreichen. Dies führt dazu, dass diese Gruppen zumeist aus der offiziellen Statistik ausgeblendet werden, wenn repräsentative Zahlen etwa zu Armut in europäischen Mitgliedsstaaten ausgewiesen werden. Das gilt für Wohnungslose, MigrantInnen ohne legalen Aufenthaltsstatus genauso wie Sinti und Roma, Heimbewohner oder Inhaftierte. Solche Erhebungen sind aber wichtig, um den tatsächlichen Anteil von unter Armut leidender Bevölkerung auszuweisen. Insbesondere dann, wenn die Armutsgefährdung in der Gesamtbevölkerung steigt.

Und diese Schwierigkeiten für die ForscherInnen haben zugenommen?

Die Armutsgefährdung hat in den letzten Jahren zugenommen – laut den amtlichen Statistiken von 2011 sind in der EU 24 Prozent der Menschen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Der tatsächliche Anteil der unter Armut leidenden Bevölkerung ist dabei vermutlich viel höher, als die Zahlen das heute wiedergeben können. Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der wissenschaftlichen Beurteilung der sozialen Lage besonders armutsgefährdeter Menschen. In den offiziellen Erhebungen sind sie vielfach nicht sichtbar, uns fehlen Informationen zu ihrer Lebenssituation.

Wie kann man dem Problem aus Ihrer Sicht begegnen?

Das Problem der fehlenden Sichtbarkeit lässt sich nur lösen, wenn neue wissenschaftliche Techniken der Stichprobenauswahl und Datenerhebung entwickelt werden. Deshalb haben wir internationale Experten eingeladen, um gemeinsam neue Verfahren und Strategien zu diskutieren.  Interview: Jan Zier