Der Coole

Cool bis in die Spitzen des schütteren Haars ging Anders Eggert zehn Sekunden vor Schluss an die Siebenmeter-Linie. Dort hatte er vor vier Minuten schon einmal gestanden und war beim dreisten Versuch gescheitert, den 130-Kilo-Hünen Strahinja Milić im Tor von Vadar Skopje mit einem Heber zu überwinden.

Mit dem fanatischen Publikum im Rücken hatten die Mazedonier am Samstag den Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel gegenüber der SG Flensburg-Handewitt nicht nur egalisiert, sondern waren 90 Sekunden vor Schluss sogar auf 26:22 davongezogen. Jetzt lag es allein in Eggerts rechter Wurfhand, auf 24:26 zu verkürzen und damit doch noch ins Final Four-Turnier der Champions League einzuziehen. Er guckte kurz zum Schiedsrichter und versenkte den Ball neben dem rechten Fuß des Torwarts. Kurz darauf begann der Veitstanz der Flensburger Mannschaft um ihren Helden. Der war wieder einen Schritt näher an sein Ziel gekommen, der beste Linksaußen der Welt zu werden. Wenn er es noch nicht ist.

Auf den Weg gemacht hat er sich bereits als Fünfjähriger im dänischen Aarhus – wo sowohl Vater als auch Mutter Handball-Trainer waren. Als er 2006 nach Flensburg kam, hatte er lange Zeit jemanden vor der Nase, der damals zu den weltbesten Linksaußen zählte: Lars Christiansen, dessen Trikotnummer 15 in der Fördestadt nie mehr vergeben werden soll. Eigentlich wollte Christansen nur noch ein Jahr weitermachen, daraus wurden vier und Eggert dachte oft: „Warum nimmt Lars nicht endlich eines der lukrativen Angebote aus Kiel oder Spanien an?“ Das gibt er heute genauso freimütig zu wie die Stiche, die ihn die Verehrung seines Vorgängers versetzt haben: „Diese Überhöhung von Lars war nicht fair und für mich oft auch ziemlich hart“, sagte er gegenüber der SHZ.

Inzwischen hat Eggert längst seinen eigenen Platz im Herzen der Handball-Fans gefunden. Er wirkt zwar nicht so charismatisch wie Christiansen, vereint in seiner mitreißenden Spielweise aber Artistik mit Effizienz. Mit einer Trefferquote von 88 Prozent ist er zudem einer der sichersten Siebenmeterschützen. Selbst wenn er es in kniffligen Situationen mal mit einem Heber oder Dreher versucht, ist das kein Zeichen von Arroganz, sondern wohl kalkuliert. „Je anspruchsvoller der Wurf, desto größer die Chance auf ein Tor“, sagt er.

2011 war er Torschützenkönig der Bundesliga, 2012 wurde er mit Dänemark Europameister und 2013 warf er die meisten Tore bei der Weltmeisterschaft. Kein Wunder, dass er bei Klubs wie dem THW Kiel begehrt ist. „Kiel käme für mich nie infrage“, sagt er. „Die SG bleibt mein sportlicher Traum.“ Klingt so, als sollte auch die Nummer 7 bei der SG nie wieder an jemand anderen vergeben werden.  RLO