Im Südsudan eskaliert die Gewalt von Neuem

BÜRGERKRIEG Es droht ein Völkermord. UN-Sicherheitsrat warnt Parteien vor Sanktionen

„Die Methoden sind ganz ähnlich wie damals in Ruanda“

WENZEL MICHALSKI, HRW

NEW YORK/GENF/JUBA epd/afp Die Vereinten Nationen und der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), haben vor einer weiteren Eskalation im Südsudan gewarnt. „Die Gewalt wird immer schockierender“, sagte der leitende UN-Vertreter, Toby Lanzer, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag per Telefon in der Hauptstadt Juba. Wehrlose Zivilisten würden gezielt von Bürgerkriegsparteien angegriffen und getötet.

Die Organisation Human Rights Watch warnte vor einem Völkermord. „Die Anzeichen und die Methoden sind ganz ähnlich wie damals in Ruanda“, sagte der Leiter des Deutschlandbüros der Menschenrechtsorganisation, Wenzel Michalski, am Freitag dem rbb-Inforadio. Auch im Südsudan würden wie bei dem Bürgerkrieg 1994 über Radiosender „Bevölkerungsgruppen aufgefordert, die andere Bevölkerungsgruppe zu massakrieren“.

Die Widersacher, Präsident Salva Kiir und Rebellenchef Riek Machar, gehören unterschiedlichen Ethnien an. Kiir ist Dinka, Machar ein Nuer. Um ihre Kontrolle über die Erdöleinnahmen sowie Macht und Einfluss zu mehren, wiegeln sie jeweils ihr Volk gegen das andere auf.

Unterdessen leitete der südsudanesische Präsident Salva Kiir erste Schritte zu einem möglichen Ende der Gewalt ein. Am Freitag wurden vier Vertraute seines Rivalen und einstigen Vizes Riek Machar freigelassen, denen wegen Putschversuchs der Prozess gemacht worden war. Er habe die Freilassung im „Interesse des Friedens“ angeordnet, erklärte Kiir in einer Rede.

Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat den Konfliktparteien mit Sanktionen gedroht. Regierungstruppen und Rebellen müssten die brutalen Angriffe auf Zivilisten sofort beenden und die Kämpfe einstellen, forderte der Rat in einer Erklärung am Donnerstag (Ortszeit) in New York. Massaker wie in der nördlichen Stadt Bentiu dürften sich nicht wiederholen. Das UN-Gremium beauftrage das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit einer Untersuchung. Hochkommissarin Pillay wird Anfang der Woche in den Südsudan reisen, um sich über die Lage vor Ort zu informieren.

Bei den Massakern Mitte April wurden Hunderte Menschen getötet. Sie wurden in einer Moschee, einer Kirche und einem Krankenhaus angegriffen. Allein in der Moschee sollen etwa 200 Flüchtende ums Leben gekommen sein. Die UN-Mission im Südsudan (Unmiss) hatte Rebellenchef Machar für die Morde verantwortlich gemacht. Der beschuldigte jedoch die Truppen von Präsident Kiir.

Nach Einschätzung Strässers ist die UN-Friedensstruppe zu schwach, um die Menschen zu schützen. Sie brauche mehr Personal und ein robustes Mandat. Auch Deutschland schöpfe sein Mandat nicht aus. Die vom Bundestag beschlossene Obergrenze liege bei 50 Soldaten, derzeit seien nur 15 im Südsudan. Der leitende UN-Vertreter Toby Lanzer betonte, die UN versuchten, ihre Truppen aufzustocken. Ob und wann weitere Uniformierte einträfen, sei jedoch unklar.

Der UN-Sicherheitsrat beschloss im Dezember eine Aufstockung der Unmiss auf 12.500 Soldaten und 1.300 Polizisten. Derzeit sind Lanzer zufolge etwa 8.700 Uniformierte im Einsatz. Die jüngsten Konflikte in dem erst seit Juli 2011 unabhängigen Südsudan begannen Mitte Dezember. Tausende Menschen wurden getötet, mehr als eine Million Menschen flohen aus ihren Häusern. Viele von ihnen suchen Zuflucht auf den Grundstücken der Vereinten Nationen, die für einen solchen Andrang nicht ausgelegt und völlig überfüllt sind.