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: Die Afghanistan-Koalition

Monatelang hat sich Jürgen Rüttgers als soziales Gewissen der CDU in Szene gesetzt, jetzt lässt er Taten folgen. Klammheimlich hat der NRW-Ministerpräsident einen Vorschlag für die Generalrevision von Hartz IV erarbeitet. Vor allem sollen diejenigen wieder länger Arbeitslosengeld I bekommen, die Jahrzehnte lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Das ist fast schon revolutionär: Die Kürzung beim ALG I hatten vor Rüttgers nur Gewerkschaften und Linkspartei kritisiert. Diejenigen, die im Sommer 2004 gegen Hartz IV auf die Straße gegangen sind, können sich bestätigt sehen. Ihre Kritik ist in der bürgerlichen Mitte angekommen.

KOMMENTAR VON DIRK ECKERT

Mit seiner Hartz-IV-Kurskorrektur will Rüttgers seine Partei wieder auf sozialeren Kurs bringen. Das zielt direkt gegen die SPD in Nordrhein-Westfalen. Viele Genossen stehen ihrem Ex-Kanzler in Rechthaberei in nichts nach und halten eisern an der Agenda 2010 fest. Rüttgers überholt sie jetzt links. Wenn sich die Sozialdemokraten nicht von Gerhard Schröder lösen, werden Rüttgers und seine CDU auch die nächsten Wahlen in Nordrhein-Westfalen gewinnen. Als linke Alternative zur SPD.

In der eigenen Partei dagegen wird Rüttgers als Hartz-Rebell nicht weit kommen. Dass er den langen Weg über den Landesvorstand und später den CDU-Parteitag beschreitet, zeigt, wie wenig Macht und Einfluss er derzeit in Berlin hat. Bestenfalls wird Rüttgers in seiner Partei ein Strohfeuer entfachen. Aber einen Linksschwenk wird die CDU nicht machen. Jedenfalls nicht mit Angela Merkel als Kanzlerin, die einst für einen verschärften Neoliberalismus angetreten ist.

Auch sonst hat Rüttgers zu wenig Verbündete: Die SPD verteidigt stur Hartz IV. Mit der FDP, immerhin Rüttgers Koalitionspartnerin in Düsseldorf, ist eine Revision der Reform im Geiste der katholischen Soziallehre nicht zu machen. Bleiben Rüttgers noch die Linkspartei und Teile der Grünen. Schwarz-rot-grün – das wäre dann die „Afghanistan-Koalition“.