Schwere Staatskrise in Bangladesch

Mindestens 19 Tote bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition

DELHI taz ■ Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bangladesch zwischen Anhängern der regierenden national-islamistischen Koalition von Ministerpräsident Khaleda Zia und der oppositionellen Awami-Liga sind am Wochenende mindestens 19 Menschen getötet worden. Elf Menschen starben am Samstag , drei Parteiaktivisten waren bereits am Freitag umgekommen, zwei junge Männer wurden am Sonntag zu Tode geprügelt. Hunderte wurden an den beiden Tagen verletzt. Zudem wurden zahlreiche Parteilokale in Brand gesteckt.

Am Sonntag versuchte Staatspräsident Iajuddin Ahmed mit den Generalsekretären der beiden Parteien, einen Ausweg aus der schweren Krise zu finden. Diese war wegen der Besetzung der neutralen Übergangsregierung zur Durchführung von Parlamentswahlen ausgebrochen. Die Verfassung sieht vor, dass die Regierung drei Monate vor dem Wahltag einer Interimsadministration Platz machen muss, die vom zuletzt pensionierten obersten Richter geleitet wird.

In diesem Fall traf es mit K. M. Hasan einen Mann, der ein Gründungsmitglied der regierenden BNP ist. In einem Land, in dem Richterposten auch als politische Pfründen gelten, wäre dies nichts Außergewöhnliches. Doch vor zwei Jahren erhöhte die Regierung das Rücktrittsalter von obersten Richtern um zwei auf 67 Jahre. Dies stellte in den Augen der Opposition sicher, dass die Wahl auf Hasan fiel.

Ähnliche Ungereimtheiten gab es mit dem Vorsitzenden der Wahlkommission und anderen Maßnahmen der Regierung, den nächsten Wahlsieg sicherzustellen. Als diese bei den Gesprächen hart blieb, brachte die Awami-Liga tausende von Anhängern in die Hauptstadt, um die Regierungsübergabe am Freitag um Mitternacht zu verhindern.

Hasan zog darauf seine Kandidatur zurück, worauf Premierministerin Khaleda Zia die Regierungsführung behielt, wie es die Verfassung (für zwei weitere Wochen) vorsieht. Als nächster Interimschef kommt ein weiterer ehemaliger Richter in Frage, der nun aber der BNP nicht genehm erscheint. Die Awami-Liga fordert zudem, mehrere Mitglieder der Wahlkommission zu ersetzen.

Die Situation wird noch durch die Spaltung der Regierungspartei erschwert. Am Donnerstag gründete sich eine neue Partei. Sie schwächt die BNP, doch es ist unsicher, ob die Awami-Liga daraus Nutzen ziehen kann. Ein kürzlicher Bericht der International Crisis Group befürchtet angesichts der „politischen Kontamination“ staatlicher Ämter wie jenes des Präsidenten, der Richter und der Wahlbehörde eine Periode der Instabilität für das Land, deren Nutznießer die islamischen Parteien sein würden. Zwei davon sind bereits heute Juniorpartner in der Regierung, und noch radikalere haben sich in den letzten Jahren bemerkbar gemacht. Sie stehen im Gegensatz zu den großen Parteien nicht im Ruf, korrupt zu sein.

Die Schmiergeldwirtschaft der Regierungspartei ist übrigens einer der Gründe, der zur Spaltung der Partei führte. „Die Familie des Premierministers hat hunderte von Millionen von Takas gehortet. Sie hat die Demokratie besudelt“, erklärte einer der Parteigründer, Badruddzoha Chowdhury, ein ehemaliger Staatspräsident. Bei den Zusammenstößen am Wochenende wurden auch Häuser von Politikern angegriffen, die die Partei verlassen haben und der neuen „Liberal-Demokratischen Partei“ beigetreten sind. Die Armee hat sich bisher zurückgehalten. Doch das Land hat bereits mehrere Militärputsche erlebt, daher ist ein solcher nicht auszuschließen. BERNARD IMHASLY