„Analogien zum NS“

FILM „Valley of Sighs“ thematisiert die Deportation von 25.000 Roma in Transnistrien ab 1943

■ 36, Kulturwissenschaftlerin an der Uni Bremen, beschäftigt sich seit Jahren mit Erinnerungspolitik und Antiziganismus.

taz: Frau Robel, zwischen 1943 und 1945 wurden 25.000 Roma nach Transnistrien deportiert. Der Film „Valley of Sighs“ zeigt Interviews mit Überlebenden. Was weiß man über das Verbrechen?

Yvonne Robel: Rumänien hatte Transnistrien, ein Gebiet, das heute zur Urkaine und Moldawien gehört, besetzt und war mit Nazi-Deutschland verbündet. Die rumänische Regierung deportierte Roma und auch Juden in dieses Gebiet. Sie wurden teilweise in Höhlen oder Behelfs-Hütten untergebracht und sich selbst überlassen. Mindestens die Hälfte von ihnen starb. Der Film ist auch spannend, weil er einen Teil der Vernichtung zeigt, der nicht im KZ stattfand, was mittlerweile mehr ins Bewusstsein gerückt ist.

Sie würden sagen, die Vernichtung der Sinti und Roma durch die Nazis ist präsent?

Ja. Das hat lange genug gedauert und lag auch am Kalten Krieg. Viele Archive waren danach erst zugänglich.

Spielt nicht Verdrängung und politischer Unwille zur Aufarbeitung eine größere Rolle?

Eine Verdrängung kommt sicherlich hinzu. Wenn man sich den aktuellen Antiziganismus anschaut, kann man das erklären.

Sie meinen die Kontinuität der Verfolgung von Sinti und Roma?

Ich würde eher von Analogien sprechen, weil das sonst der Besonderheit der NS-Geschichte nicht gerecht wird. Aber es gibt Parallelen zu heutigem Unrecht, zu Pogromen und Angriffen gegen Roma. Und es gibt Kontinuitäten der Stereotype. Dazu gehört auch die Debatte um angebliche Armutseinwanderung. Vor allem die Verdrängungsmechanismen in Sachen Wahrnehmung von Unrecht zeigen starke Parallelen.

Etwa, wenn Roma-Familien abgeschoben werden, deren Großeltern NS-Opfer sind?

Ich finde es bitter, dass man diesen Hinweis auf die NS-Geschichte braucht. Dabei sollte gegen Abschiebungen das Argument ausreichen, dass sie menschenunwürdig sind. In den Familien selbst aber werden die Analogien zur NS-Verfolgung gezogen.  INTERVIEW: JPB

20 Uhr im City46. Anschließend: Diskussion mit Yvonne Robel um dem Regisseur Mihai Andrei Leaha, www.balkancinema.de