Freundlicher, leicht blutleerer Roadmovie mit Musik

LITERATUR Der schleswig-holsteinische Autor Jan Christophersen hat mit „Echo“ seinen zweiten Roman veröffentlicht. Der plätschert freundlich vor sich hin und reicht an den Debütband „Schneetage“ und dessen komplexe Verwicklungen nicht heran

Gesas Ausbruchsversuche ziehen sich eher halbherzig durch den Roman

Es wirkt wie aus den Siebzigern: das Cover, das Thema, die Sprache. Jan Christophersen hat einen Musikerroman geschrieben, und das hat auch mit ihm selbst zu tun, denn ein (Hobby-)Gitarrist ist er ja auch. Nur, dass seine Songs einst länger und länger wurden, so dass er dann doch lieber Romancier geworden ist.

Und das mit gutem Erfolg; für seinen Roman „Schneetage“ hat er 2009 den Debütpreis des Buddenbrookhauses bekommen. Die Geschichte spielt während des schleswig-holsteinischen Schneewinters 1978/79 und handelt von Menschen in einem deutsch-dänischen Grenzort, die sich mit der Nazizeit und der 1362 versunkenen Insel Rungholt beschäftigen. Karg und lakonisch ist das geschrieben, und das Rauschen der Nordsee ist quasi live dabei. Das ergibt ein komplexes, packendes Geflecht aus Historie und intergenerationellen Verwicklungen.

In „Echo“, seinem neuen Roman, ist es Sommer in Schleswig-Holstein und Polen, und die Freundschaft zwischen Gesa und dem Gitarristen Tom beginnt mit einer Klassenfahrt. Luftig und leicht und zart melancholisch wie ein Roadmovie der Siebziger lässt sich die Geschichte an, die aber auch in den 1980er Jahren spielen könnte – jedenfalls vor der Wende, wie die langwierigen Grenzkontrollen zur DDR und nach Polen zeigen. Und eigentlich mögen sich die 17-jährige Gesa und der 15-jährige Tom gar nicht. Er ist ein eigenwilliger Musiker, jünger als der Rest der Gruppe, und wortkarg außerdem. Gesa wiederum ärgert sich, weil sie auf ihn aufpassen soll.

Vertraut miteinander werden die beiden schließlich durch Klänge. Gesa lauscht, interessiert sich, bemerkt irgendwann, dass Musik Toms wichtigstes Ausdrucksmittel ist. Es dauert, bis sie genauer versteht, aber irgendwann hat sie sein Spiel und seine CD-Compilationen dechiffriert.

Es ist ein ungleiches Paar, das ja keines ist, denn Tom ist ein Vagabund, ewig auf Tournee, aber nie richtig berühmt. Gesa wird irgendwann Ehefrau und Mutter und hält ein Zimmer für Tom bereit, falls er mal in der Gegend ist. Erzählen will er dann selten; er braucht die Musik als Schutzweste gegen die Welt. Auch seine Freundin Aga begreift ihn nie ganz.

Ist das nun eine Dreiecksbeziehung? Man weiß es nicht, denn Gesas Haltung bleibt vage – wenn man von einem betrunkenen Liebesgeständnis absieht.

Die Geschichte endet, wie ein „typischer“ Musikerroman enden muss: mit dem frühen Tod des Gitarristen. Außerdem mit gleich zwei Schlüssen: einem versöhnlichen – und einem, in dem Tom stirbt, bevor er sich mit Gesa aussöhnen kann. „Coda“ hat der Autor das genannt, aber es kommt so explizit daher, dass man eher vermutet, dass er sich nicht entscheiden konnte.

Vage bleibt das Ende außerdem: „Irgendwann würde sie auch wieder Ich sagen können, wenn sie ihre eigene Geschichte erzählte. Noch war sie nicht so weit“, steht da. Man ahnt, dass es hier um Gesas Emanzipation vom Familiengetriebe geht. Aber der Impuls zum Ausbruch – und sei es auch nur für ein paar Stunden für Toms Konzert – bleibt schwach. Magnetisch zieht es sie zurück ins Nest.

Gesas Fremdbestimmtheit scheint in der Tat immer wieder auf, zieht sich aber eher halbherzig durch den Roman. Möglich, dass das als Spiegelung von Gesas kraftlosen Ausbruchsversuchen gedacht ist. Aber dieser Energiemangel lähmt, und so bleibt der Roman eine vor sich hinplätschernde Collage mit durchschnittlich interessanten Dialogen und Taten. An Christophersens spannendes Debüt „Schneetage“ reicht er nicht heran.  PS

Lesung: 29. 4. 2014, Literaturhaus Schleswig-Holstein, Kiel, Schwanenweg 13