DAS ABOUT BLANK WIRD VIER, DAS WHITE TRASH ZIEHT NACH TREPTOW
: Warten auf Pete

VON JENS UTHOFF

Ein Sommerabend. Denke ich, während ich am Maybachufer entlangfahre, ein mildes Lüftchen weht und die Menschen sich am Kanal tummeln, als ob nicht Ende April, sondern Mitte Juli wäre. Kurz darauf räkele ich mich selbst schon im Garten des About Blank-Clubs.

Die Location am Ostkreuz wird vier – Gratulation! – und feiert „Four ever blank“. Drinnen rockt auf der Bühne des stickigen, vernebelten Konzertraums Sebastian Klettmann, Sänger der Berliner Band U*N*S, im Unterhemd angenehm dadaistisch und desillusioniert mit seinen beiden Bandgenossen vor sich hin. Wenn man Bands wie Devo nie live gesehen hat, sind diese durchgedrehten drei eine ganz gute Entschädigung für die Nachgeborenen. Im Zelt spielt kurz darauf die Berliner Songwriterin Masha Qrella Unter-die-Haut-Pop, wie ich die Musik mal nenne, der bei mir an diesem Abend aber bereits an der Epidermis hängenbleibt.

Ein wenig schaue ich mir später noch die Psychedelic-Sixties-Indie-Melange der Berliner Band Fenster an. Ganz unberechtigt ist der kleine Hype um die Band nicht: Sie wirken wesentlich powervoller als noch bei der Record-Release-Party ihres Albums „The Pink Caves“ vor Kurzem im SchwuZ. Könnten tatsächlich mal richtig toll werden.

Springen wir mal – zack – knappe 24 Stunden weiter. Neue Location, neue Lieder auf den Lippen. Auch das White Trash feiert, und zwar den Umzug und damit die Ankunft des Rock ’n’ Roll in Treptow – denn der neue Laden befindet sich auf dem Areal der dortigen Arena. Die Frage des Abends lautet: Kommt Pete? Pete Doherty, ehemals Sänger der Libertines und der Babyshambles, hatte einen Auftritt zur Eröffnung angekündigt. Über dem Eingangsportal, einem alten, umgebauten Waggon, sind Flammenwerfer angebracht; der Club hat nun ein riesiges Außengelände, das wie ein Abenteuerspielplatz aussieht und auf dem sich um Feuerstellen herum Grüppchen bilden.

Drinnen erinnert der neue Laden derzeit noch an eine Lagerhalle. Es ist gut gefüllt, etwa 500 Leute sind gekommen. All ages, all gender, all styles. Wobei das gut angezogene und aussehende Rock-’n’-Roll-tum dominiert. Während des Wartens auf Pete vertreibt man sich die Zeit mit Karaoke auf der Bühne, die mit Holzkisten ausstaffiert ist. Die beiden langhaarigen Typen, die Guns ’N Roses’ „Sweet Child O’Mine“ mit eingebautem Axl-Rose-Quieken vortragen, haben meine vollsten Respekt. Die Frau aber, die im Duett mit einem Kerl den Grease-Song „Tell me more“ singt, dringt in Tonlagen vor, von denen man sich wünscht, sie befänden sich im nicht wahrnehmbaren Bereich.

Als alle fast schon wegwollen –gegen zwei –, kommt er doch noch, der Pete. Mit einer Karaoke-Nummer von Amy Winehouse’ „Rehab“ springt er auf die Bühne. Er entschuldigt sich, so spät dran zu sein, legt dann aber ein wunderbares Akustik-Set voller Spielfreude hin. Mit seinem Schlägerkäppi und dem Lausbubengrinsen wirkt er recht vital – bei Doherty, dessen Affinität zu Drogen bekannt ist, nicht selbstverständlich.

Der 35-Jährige spielt ein kleines Hit-Potpourri aus Babyshambles- und Libertines-Songs, drischt freudig auf die Westerngitarre ein. Die Meute, die sich mittlerweile kollektiv vor der Bühne versammelt hat, geht zu Songs wie „Music when the lights go out“ ordentlich ab. „Fuck Forever“ ist dann der Höhepunkt – ein großer Song, wahrscheinlich der beste, den Doherty geschrieben hat. „I’ll sever my ties / Oh I’m so clever / You’re so clever, but you’re not very nice / So fuck forever.“ Wie er mit den Fingern das Griffbrett rauf- und runterrattert, das ist toll, das hat Charme – und das zeigt, dass er ein großartiger Gitarrist ist, während die Suchmaschinen der Welt ihn wohl nur noch unter „abgehalfterter Rockstar“ verschlagworten.

Wie es ohnehin ein Wochenende im Zeichen der guten Klänge war, so klingt es am Sonntagabend auch angenehm aus: mit der vollen Dröhnung von Queens „Bohemian Rhapsody“ vor einem Neuköllner Café. Zum Cappucino schallt der Song durch die ganze Straße: „Mammaaaaa! Uuuuuuooouuuh! … I don’t wanna die!“