LESERINNENBRIEFE
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Unsozial und kontraproduktiv

■ betr.: „Die Zukunft der Mobilität“, taz vom 19. 4. 14

Im Großen und Ganzen stimme ich der Analyse der Ursachen für die Stagnation des ÖPNV-Anteils ja zu, nicht aber seinen rein marktorientierten Konsequenzen:

Es ist ja richtig, dass Pendler vorwiegend in den Spitzenzeiten fahren, aber ihre Möglichkeiten, ihre Fahrtzeiten zu verlagern, sind begrenzt. Nicht Jeder hat Gleitzeit und auch da gibt es üblicherweise Kernzeiten. An der Stelle finanzielle Daumenschrauben anzulegen wäre unsozial und spätestens dann kontraproduktiv, wenn die Fahrt mit dem ÖPNV teurer wird als mit dem eigenen Pkw. Viele ÖPNV-Pendler nutzen ihren Spielraum ohnehin schon, um überfüllte Züge zu vermeiden und auf weniger volle Zeiten auszuweichen.

Die Rabatte für Monatskarten sind gar nicht so hoch und durchaus berechtigt, weil sie überwiegend von Pendlern benutzt werden und das damit einhergehende Verkehrsaufkommen dadurch auch mittelfristig planbar wird. Wer wann ein Einzelticket kauft, ist dagegen überhaupt nicht vorherzusehen und ein deutlich höherer Preis für das Vorhalten eines attraktiven Taktes auch marktwirtschaftlich berechtigt. Zu bedenken ist außerdem, dass Pendler bei Verspätungen und Zugausfällen im Gegensatz zu Fernverkehrskunden keine Entschädigung erhalten und selbst sehen müssen, wie sie dann zur Arbeit kommen.

Es kann ja nicht angehen, dass mit viel zu simplen betriebswirtschaftlichen Rezepten eine nahezu vollständige Auslastung des ÖPNV erzielt wird und dabei berechtigte Mobilitätsbedürfnisse des weniger gut verdienenden Teils der Bevölkerung unter den Tisch fallen. Was die Forderung nach mehr Wettbewerb soll, bleibt außerdem völlig unklar. Die bisher praktizierte Öffnung des Schienenverkehrs für Privatbahnen hat in vielen Fällen nur marginale Verbesserungen des Angebots gebracht, aber ganz eindeutig schlechtere Bezahlung der dort Beschäftigten.

Was mittel- und langfristig hilft, ist der Leidensdruck auf überfüllten Straßen – solange weiter Straßen (aus)gebaut werden, wächst der Autoverkehr, da die individuelle Freiheit, in seinem eigenen Vehikel spontan ein Ziel anzusteuern, mit Bussen und Bahnen einfach nicht erreicht werden kann.

Wichtig ist aber auch eine gute ÖPNV-Anbindung der Fabriken und Gewerbegebiete und eine Siedlungspolitik, die Arbeit und Wohnen wieder näher zusammenbringt.

WERNER BEHRENDT, Oldendorf

Radwege kamen später

■ betr.: „Critical Mass. Jetzt kommt die Räder-Republik“, taz vom 25. 4. 14

§ 2 StVO sieht die Fahrbahnbenutzung auch für Fahrräder vor. Nur weiß das in Deutschland nur noch eine Minderheit, weil die Verkehrsgruppen seit über 60 Jahren in Deutschland systematisch getrennt wurden – Stichwort Radwege. Der weitergehende Gedanke hinter § 27 StVO ist immer noch § 2 StVO: Der Straßenraum gehört auch dem Fahrrad. Die Radfahrer dürfen grundsätzlich auf der Straße fahren. Radwege kamen später. ANNI NOTTEBAUM, Oldenburg

Zugeparkte Lebensräume

■ betr.: „Radfahrer sind nicht automatisch die Guten“, taz vom 25. 4. 14

Warum nur haben Sie nicht jemanden vom Bundesvorstand ADFC befragt, statt den Mann vom TÜV (nicht eben bekannt dafür, an Fahrradplaketten viel Geld zu verdienen)? Denn der hat leider keine Ahnung und hält das Benutzen der Fahrbahn für regelwidrig – was es in vielen Fällen nicht ist und nicht sein sollte.

Darüber hinaus ist die geforderte Trennung der Verkehrswege völliger Unsinn; erfolgreiche städtische Verkehrskonzepte räumen Radfahrern Raum auf den Straßen ein – und senken damit die Unfallstatistik für Radfahrer.

Schon der Titel ist Blödsinn: Der Begriff des „Guten“ trifft eindeutig nicht auf den Menschen, sehr wohl aber auf das Rad als Verkehrsmittel zu. Oder steht in Frage, dass das Rad das umweltverträglichere, leisere, schmalere und gesündere, schlicht bessere Verkehrsmittel ist? Wir wollen einen Teil des städtischen Raumes zurückerobern und uns gegen die permanente Behinderung durch Autos und deren Verkehrssysteme wehren – nicht nur als Radfahrer, sondern auch als Bewohner zugeparkter Lebensräume. THOMAS SCHNEIDER, Neuss

Räder dürfen Straße nutzen

■ betr.: „Radfahrer sind nicht automatisch die Guten“, taz vom 25. 4. 14

Was das Interview mit Herrn Kiegeland betrifft, frage ich mich, was macht einen Experten eigentlich zum Experten? Herr Kiegeland kennt offenbar basale Verkehrsregeln nicht. Die allgemeine Radwegebenutzungspflicht wurde bereits 1997 abgeschafft. Darf man das als führender Verkehrspsychologe und Mitarbeiter des TÜV vierzehn Jahre lang ignorieren? Es geht hier um keine Petitesse. Vielmehr ist das, was er hier beschreibt, Radfahrer leiteten sich aus ökologischen Erwägungen Sonderrechte ab, eine verbreitete Sichtweise, die eben zu den von Herrn Kiegeland beklagten Konflikten führt. Nach meiner Erfahrung als Radfahrer und aus zahllosen Gesprächen glaubt eine große Mehrheit der Autofahrer, Radfahrer haben nichts auf der Straße verloren, wenn es einen Radweg gibt. Viele – sicher nicht alle – Autofahrer reagieren darauf mehr oder weniger aggressiv. Kurz: Herr Kiegeland schürt selber die Konflikte, die er dann psychologisch deuten darf. MARCUS WINTEROLL, Hamburg