„Geld muss der Gesellschaft dienen“

LEBEN Reinhard Loske fordert, das Finanzsystem solle sozialen und ökologischen Zielen dienen

■ 55, Professor für Nachhaltigkeit an der Privatuniversität Witten-Herdecke, wo am 1./2. Mai ein „Geldgipfel“ stattfindet. Zuvor war der Grüne Umweltsenator in Bremen.

taz: Herr Loske, Sie plädieren für eine Geldwende. Was soll das sein?

Reinhard Loske: Die Analogie zur Energie- und zur Agrarwende ist kein Zufall. Schon heute investieren viele Bürger Geld in soziale und ökologische Projekte. Oder sie betreiben Genossenschaften und Stiftungen, die sie selbst kontrollieren. Geldwende bedeutet, solche Ansätze aus der Nische herauszuholen. Wir schlagen vor, Geld so einzusetzen, dass es einen Nutzen im Sinne der nachhaltigen Entwicklung bringt.

Wie kann man das schaffen?

Geld muss zum sozialökologischen Gestaltungsmittel werden. Genossenschaftsbanken und Sparkassen etwa sollten ihre Kredite stärker an soziale und ökologische Kriterien binden.

Viele Bürger und Firmen haben andere Ziele als Sie. Sollte Geld nicht neutral sein und den Bedürfnissen aller dienen?

Geld ist niemals neutral. Wir wollen den Finanzsektor wieder für die Gesellschaft als Ganzes in Dienst nehmen. Unsere Frage ist: Wie können wir zunehmende Summen so nutzen, dass sie den Bedürfnissen der Menschen dienen – und nicht wenigen Banken und Unternehmen?

Eine Alternative ist die Vollgeldreform. Was bedeutet das?

90 Prozent des Geldes setzen heute die Geschäftsbanken in Umlauf, indem sie Kredite vergeben. Nur noch ein Zehntel der Geldschöpfung kommt von Notenbanken. Die Anhänger der Vollgeldreform wollen dagegen die private Geldproduktion per Gesetz einschränken. Ihnen geht es darum, die Hoheit über die Geldmengensteuerung wiederzugewinnen und so Inflation, Spekulation und unmäßigen Wachstumsdruck auf die Realwirtschaft zurückzuschrauben.

Privatbanken könnten dann nur noch so viel Euro ausleihen, wie sie zur Verfügung haben, das Volumen möglicher Kredite würde reduziert. Wollen Sie, dass die Wirtschaft schrumpft?

Heute ist das Problem unter anderem, dass die Geschäftsbanken viele Kredite vergeben, wenn die Wirtschaft brummt – und wenige, wenn die Konjunktur lahmt. Damit besteht die Gefahr, dass sie Krisen verstärken.

INTERVIEW: HANNES KOCH