ausgehen und rumstehen
: Die neue Widerlegung der Zeit

Erst Lou Reed, dann die Cocteau Twins. Die Musik blieb ausnehmend gut an diesem Samstagabend im unterbesuchten Kinski Club. Überhaupt ist das Kinski, wie auch das Lombardo am Zionskirchplatz, in dem wir am Freitagabend waren, ein Laden, der zu oft unter Wert besucht ist. Spiegelneuronenbomben fallen jedenfalls nicht auf das Feiervolk herab, geht es darum, nicht immer nur in die einschlägigen Spelunken zu wandern. Sicher, gegen die Ankerklause ist wenig zu sagen. Das dort gepflegte Jukebox-Prinzip zum Beispiel ist ein gutes; mediokre Schallplattenunterhaltung findet nicht statt, und die Besetzung der Ankerklause scheint aufs Beste zu wissen, wie der Musikgeschmack ihres Publikums beschaffen sein sollte. Also bietet ihre Jukebox nur das Beste.

Im Kinski legte ein mitteljunger Mann mittelalte, aber eben gute Musik auf. The Jesus & Mary Chain, ESG, Gary Numan. Auch gibt es eine neue Tür, die Tage des offenen Durchzugs sind also gezählt. Die penetrante kleinbürgerliche Plüschkultur, wie sie im Osten der Stadt anhand eigentlich ausrangierten DDR-Mobiliars nur allzu oft gepflegt wird, wird hier durch einen riesenhaften Tresor (gegenüber der Bar), angenehm schlicht gehaltene Wände und eine Substandardtoilette gut ausgeglichen.

Aber eigentlich sollte das hier keine Kneipenkritik werden, sondern ein Wochenend-Erlebnisbericht. Der Punkt ist nur: Es war nicht viel los. Im Lombardo wurde über den Film „Science of Sleep“ geredet (endlich ein Film, der das kümmerliche Begehren eines kreativen Nicht-Arschlochs ohne Happy End zeigt; eine Art „Amélie“ für Jungs in den Zwanzigern; oder, letzte Meinung: der Film zeigt, dass Infantilismus ein Holzweg ist), im Kinski über Spiegelneuronen, Zellen also, die für das Mitgefühl verantwortlich zeichnen.

Zu sehen gab es ebenfalls nicht viel. In der Ankerklause, in die wir zum Schluss gegangen sind, spielten drei Männer und eine Frau mit Brille Skat. Dauertouristen, vermuteten wir. Die statt in der Herberge eben in der Kneipe „karten“, wie man im Rheinland dazu sagt. Draußen gab es erst recht nicht viel zu sehen, da regnete es sich nämlich gut ein, und mit Brille sah man noch weniger. Vielleicht hätten wir wieder ins Kino gehen sollen oder noch in die Paloma Bar, von der aus man einen guten Ausblick auf den Kotti hat. Na, vielleicht am nächsten Wochenende.

Die dank der Zeitumstellung geschenkte Stunde wurde übrigens angemessen und wie „von Medizinern empfohlen“ ordentlich verschlafen.

RENÉ HAMANN