Serben nehmen neue Verfassung an

Mehrheit stimmt für ein Verbleiben des Kosovos bei Serbien. Experten: Ohrfeige für die politische Elite

BELGRAD taz ■ In Serbien haben am Wochenende 52,3 Prozent bei einem Referendum für die neue Verfassung gestimmt, die das Kosovo als einen Bestandteil Serbiens definiert. Am 5. November sollen das Grundgesetz im Parlament verabschiedet und Neuwahlen ausgeschrieben werden. „Das ist ein großer Sieg Serbiens“, erklärte Premierminister Vojislav Koštunica sichtlich erleichtert, als die vorläufigen Endergebnisse bekannt gegeben wurden. Mit dem neuen Grundgesetz, das das Kosovo als untrennbaren Bestandteil Serbiens definiert, sei Serbien stärker geworden.

Auch Präsident Boris Tadić und Vertreter aller großen Regierungs- und Oppositionsparteien, die unisono die neue Verfassung unterstützten, äußerten ihre Freude über die historische Entscheidung. In der ethnisch geteilten Stadt Kosovska Mitrovica, der größten serbischen Enklave im Kosovo, jubelten Serben auf den Straßen und skandierten „Kosovo ist Serbien“.

Noch am Sonntagnachmittag herrschte Untergangsstimmung in der politischen Elite Serbiens. Wegen der unerwartet geringen Wahlbeteiligung sagten Analysten schon ein Scheitern des Referendums voraus. Die ohnehin aggressive Verfassungskampagne wurde kurz vor der Schließung der Wahllokale noch einmal verschärft. Verzweifelt riefen Koštunica und Tadić die Serben auf, doch noch für das Grundgesetz zu stimmen, um „unabsehbare Folgen“ für Serbien zu verhindern. Selbst der 92-jährige Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Pavle, ging zum ersten Mal in seinem Leben an die Urnen.

Das Staatsfernsehen sendete unaufhörlich die Botschaft der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei: „Geht an die Urnen, denn über den Misserfolg des Referendums würden sich Albaner und alle anderen Feinde Serbiens freuen, auch der UN-Chefverhändler für das Kosovo, Marti Ahtisaari.“

Obwohl über fünfzig Prozent der wahlberechtigten Bürger für das neue Grundgesetz stimmen mussten, hatte niemand erwartet, dass sich die Volksabstimmung in eine Zitterpartei verwandeln würde. Immerhin waren Kosovo-Albaner vom Referendums ausgeschlossen, die Wahllokale zwei Tage offen und eine öffentliche Debatte vermieden worden. Der Parlamentspräsident der Vojvodina, Bojan Kostres, sprach von „Manipulation“ und einer „aufgezwungenen“ Verfassung. Kritiker verwiesen auf die „merkwürdig hohe“ Wahlbeteiligung in den letzten Stunden und schlossen Fälschungen nicht aus. Analytiker sprachen von einer „Ohrfeige“ für die politische Elite.

Ungeachtet dessen brachte Koštunica die Bedeutung des Referendums auf den Punkt: Auf das Vetorecht Russlands bauend, schloss er die Möglichkeit aus, dass der UN-Sicherheitsrat und die Kontaktgruppe eine Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen. Sollten einige Staaten im Alleingang die Selbstständigkeit der südserbischen Provinz anerkennen, würde das direkte Folgen auf die Beziehung Serbiens zu diesen Staaten haben, sagte Serbiens Premier im russischen Fernsehen. ANDREJ IVANJI