Bagger gegen Urwald-Paradies

Schweizer Konzern will in Nordaustralien eine massive Tagebaumine errichten und einen Fluss umleiten. Ureinwohner sehen ihre Lebensgrundlagen bedroht

SYDNEY taz ■ Es ist ein Ort mit wilder, von Menschenhand kaum berührter Natur: Flüsse und Tümpel, Mangrovenwälder – in den Uferregionen des Golf von Carpentaria. 600 Kilometer nordwestlich der nordaustralischen Stadt Mount Isa sieht die Umwelt noch so aus wie vor tausenden von Jahren. Salzwasserkrokodile liegen am Ufer, der Reichtum an Fischen, Muscheln und Krustentieren ist überwältigend.

Für die wenigen Aborigines, die seit Jahrtausenden im Gebiet um den Fluss McArthur und der Küstenregion jagen und fischen, ist es zugleich Quelle der Nahrung und Sitz ihrer Seele.

„Doch das alles“, sagt Felicity Campbell, „könnte bald zerstört sein.“ Die Vorsitzende der Mabunji Aboriginal Resource Association ist besorgt über die Entwicklungen der letzten Tage. Denn jüngst hat der australische Umweltminister Ian Campbell grünes Licht zum Ausbau der Zink- und Bleimine am McArthur River gegeben. Davor hatte auch die Regierung des Northern Territory in Darwin ihre Zustimmung erteilt. Das Gebiet gilt als eine der reichsten Erzlagerstätten der Welt.

McArthur River Mining (MRM), ein Unternehmen des Schweizer Rohstoffhauses Xstrata, fördert dort seit 1995 Zink und Blei. Der Ausstoß der Untertagebaumine ist gigantisch: 70 Prozent des weltweit geförderten Zink- und Bleikonzentrats stammen aus der Mine. Der feine Metallstaub endet in Schmelzanlagen in Rumänien, Japan, Polen und in China. Für MRM steht außer Frage, dass das Projekt positive wirtschaftliche Auswirkungen auf eine der isoliertesten Regionen des Kontinents hat. Nicht nur böte die Anlage vielen Einheimischen Arbeitsplätze, sie trage mit jährlich rund 350 Millionen australischen Dollar zur Wirtschaft des Northern Territory bei, so die Firma.

Und doch schienen die Tage der Mine bis vor kurzem gezählt. Nur der Ausbau zu einem Übertageprojekt habe die Anlage vor der Schließung retten können, so MRM. Denn nach zehn Jahren sei im Untertagesystem nichts mehr zu holen gewesen. MRM beginnt nun mit dem Umbau der Mine – eine Testgrube läuft bereits auf Hochtouren.

Doch die aufwändigste Arbeit steht noch bevor. Da der Großteil der Erze direkt unter dem McArthur-Fluss liegen, muss dieser über mehr als fünf Kilometer umgeleitet werden. Vor Überflutung geschützt werden soll die neue Anlage – eine riesige offene Grube – durch einen hohen Damm. 110 Millionen Australische Dollar (AUD) wollen MRM und Xstrata in das Projekt pumpen.

MRM rechnet mit einem Erzvorkommen von 120 Millionen Tonnen und erhofft sich „ein Minenleben von über 85 Jahren“, wie das Unternehmen schreibt. Dank der Umwandlung zum Übertagebau werde die Anlage über 25 Jahre mit 13 Milliarden AUD zur Wirtschaft beitragen.

Doch für die Ureinwohner des Gebiets um den McArthur-Fluss sind solche Zahlen irrelevant, wie Sprecherin Felicity Chapman meint. Sie fürchten nicht nur eine Vergiftung des Flusses und weiter Teile des Golfs von Carpentaria mit Schwermetallen, sie rechnen mit einer Katastrophe. „Wir sind in den Tropen. Zyklone, schwere Stürme und Überschwemmungen sind normal. Selbst der größte Damm wird nicht in der Lage sein, gigantische Wassermassen zurückzuhalten“, erklärt Chapman. Der McArthur-Fluss schwemmt während der jährlichen Monsunregen so viel Wasser in den Golf, dass damit fünfmal der Hafen von Sydney gefüllt werden könnte – einer der größten der Welt.

Die Ureinwohner haben jetzt angekündigt, die ministeriale Bewilligung zum Ausbau der Mine vor Gericht anzufechten. In der Vergangenheit sei es schon mehrfach zu Kontaminierungen gekommen, sagt Chapman. „Wir hatten in den letzten zehn Jahren drei große Überschwemmungen“, erklärt sie. Giftige, mit Schwermetallen beladene Abwässer seien in den Fluss und von dort in den Golf von Carpentaria gelangt, wo sie sich in den Meerestieren ablagerten. „Am schlimmsten betroffen sind die Menschen auf den vorgelagerten Inseln. Sie leben seit Jahrtausenden ausschließlich vom Fischfang.“ Chapman will Beweise für bereits überhöhte Werte des Schwermetalls Cadmium in Austern.

Für MRM sind Ängste vor einer Vergiftung der Umwelt nicht gerechtfertigt. „Die Umweltschutzbehörde des Northern Territory zeigt sich zufrieden darüber, dass die Mine der Umwelt nicht geschadet hat und die Umleitung des Flusses unter allen Wetterbedingungen sicher sein wird“, macht Direktor Brian Hearne in einer Stellungnahme klar. Laut dem australischen Fernsehen bezweifelt er, dass sich das Management von Xstrata mit den Ureinwohnern treffen wird, um deren Bedenken zu besprechen. URS WÄLTERLIN