Kunst als Imagefaktor im Portfolio

Bei der gestern eröffneten Art Cologne geht es vor allem ums Verkaufen. Doch viele Top-Galeristen gehen inzwischen lieber nach Basel oder London

AUS KÖLN PETER ORTMANN

Fiepend fräst die Maschine Löcher in Hartschaum. Daraus entstehen abstrakte Bilder, digital gesteuert vom PC. Der Monitor hängt nebenan. Ralf Becker von der Kunsthochschule für Medien in Köln hat die CNC-Fräse selbst gebaut. Nicht weit davon liegt eine Milka-Kuh. Böse gefoltert, Kopf ab, zerstückelt. Tiere ziehen sich Zähne, kopieren Models auf dem Catwalk. Mit zehn lebenden Pferden erinnert die Art Cologne in diesem Jahr an den italienischen „arte povera“-Star Jannis Kounellis.

Es geht also um Kunst, den Kölner Klüngel und die endlosen Wände voll mit bunten, blinkenden, genagelten Dingen. Was unterscheidet eine Kunstmesse von einer Autoshow? Nichts. Die Art Cologne, die gestern ihre zwei Hallen öffnete, ist da keine Ausnahme. Auch hier geht es um alte und neue Modelle, die verkauft werden wollen. Kunst ist für Galeristen in erster Linie Ware. Sonst nichts. Auch wenn sie etwas anderes behaupten.

Seit 40 Jahren wird das am Rhein schon so gehandhabt. 1967 hieß die erste Schau noch etwas ehrlicher „Kölner Kunstmarkt“ und fand mit 18 Galerien in der Festhalle Gürzenich statt. Kunsthändler Rudolf Zwirner, einer der beiden Gründungsväter damals, wird im Jubiläumsjahr geehrt. Er erhält den „Art Cologne-Preis 2006“ vom Bundesverband Deutscher Galerien (BVDG) Köln. „Der Kunstmarkt erwies sich als sensationeller Erfolg“, sagt Oliver P. Kuhrt, Geschäftsführer der Koelnmesse GmbH. Bis heute gäbe es weltweit immer noch Nachahmer. Das letzte Gerücht, dass die Kölner „Art“ auf Mallorca eine Zweitmesse installieren will, wollte er nicht bestätigen, aber Gérard A. Goodrow, Direktor der Art Cologne, gab immerhin Gespräche zu. Die Kunstmesse will in Bewegung bleiben, sucht neue Kooperationen, macht neue Sonderschauen, Symposien, VIP-Programme.

„Open Space“, „Hidden Treasures“, „New Talents“ und „New Contemporaries“. Alles schmeckt nach Internationalität, doch Weltniveau hat die „Art“ längst verloren, viele Top-Galeristen sind weg, denn die Konkurrenz in Basel oder London schläft nicht. Ausruhen auf Lorbeeren können sich die Stadt und ihre Messe nicht mehr. Nur langsam geht es mit der „Art“ wieder aufwärts. Für Oliver P. Kuhrt ist sie aber immer noch „ein Imagefaktor im Portfolio der Koelnmesse GmbH“.

Die „Ausstellung für die Propagierung und den Verkauf von international anerkannter moderner Kunst“ ist bulimisch kleiner geworden. Nur noch 180 Galerien aus 28 Ländern füllen die Kojen. Früher waren das auch schon mal knapp 300. Dennoch erwartet man wieder rund 70.000 Besucher. Der Anteil ausländischer Kunsthändler beträgt 45 Prozent. Stark vertreten sind Galerien aus Österreich und Spanien. Und hier kann man sich nicht einfach anmelden. „Wir sind eine Bewerbungsmesse“, sagt Art-Direktor Goodrow. Auf die Frage, ob er die kommende Konkurrenz aus Düsseldorf fürchte, reagiert er gelassen. „Wenn die neue Kunstmesse dort gut ist, ist sie ein Gewinn für das Rheinland, wenn nicht, tangiert sie uns nicht.“

Am meisten freut ihn das Format „Open Space“, das bereits zum zweiten Mal installiert wurde. „Hier können wir uns auf der Messe selbst in Frage stellen“, sagt der Brite. Mit optimiertem Konzept und auf einer auf 2.500 Quadratmeter vergrößerten Fläche präsentieren dort 39 internationale Galerien 37 Einzelpositionen junger Kunst. Einige Installationen und raumgreifende Arbeiten wurden in diesem Jahr gezielt für die Plattform entwickelt und werden hier erstmals gezeigt.

Und die Art Cologne wechselt endgültig die Jahreszeit. Zum letzten Mal findet sie im Herbst statt, im nächsten Jahr gibt es sie früher wieder im April. Damit will man sich vom weltweiten Messetrubel in der dunklen Jahreszeit verabschieden, bei dem Galeristen oft Logistikprobleme mit ihrer Verkaufsware bekommen. Aber es gibt noch einen weiteren Grund: die renommierte Art Basel, die in den letzten Jahrzehnten in Europa allen Kunstmessen den Rang abgelaufen hat. Sie findet auch im Frühjahr statt, aber erst im Juni. Davon will Köln wohl profitieren.

Für die Besucher in Köln ändert sich nicht viel. Immer noch werden Insider, Flanierer, Sammler und solche, die es vielleicht werden wollen, vom aktuellen und klassischen Kunstangebot fast erschlagen: eine gehäkelte Wandarbeit von Katie Holten hier (Galerie Van Horn, Düsseldorf), Phantasie-Tiere aus Feuerwerkskörper vom Dresdener Kunstprofessor Wolf dort (Galerie Schübbe, Düsseldorf). Nebenan gehen graue Standard-Jalousien auf und zu. Und ein goldenes, aufgeblasenes Tier schwebt über allem.

Richtig Kohle wird mit der Klassischen Moderne gemacht. Immerhin soll auch in diesem Jahr wieder ein 60-Millionen-Euro-Umsatz draus werden. Da ist ein Picasso-Stillleben „Krug mit Kerze“ (von 1945) für schlappe 2,3 Millionen Euro immerhin ein Anfang und ein mittelgroßer Gerhard Richter kostet schon mal 1,5 Millionen. Nagelmeister Günter Uecker gibt es bei Galerie Utermann aus Dortmund ab 23.000 Euro. Allerdings ist das Werk für Uecker-Verhältnisse eher winzig.

Ein Preisschlager könnte vielleicht Jo Marie Lafontaines „I love the world“-Videoinstallation bei der Galerie Baumgarte aus Bielefeld werden. Auflage: drei Stück. Für 55.000 Euro erhält man immerhin eine DVD und fünf großformatige Fotos der Belgierin. Wer die nicht gerade locker hat, sucht sich lieber eins der vielen Neon-Schriftobjekte aus: „Show me your gun“, „Duck“ oder „Hooligan“. Eine schwere Wahl.