Stuttgart-21-Gegner fordern Offenlegung von Gutachten

SCHLICHTUNG In der fünften Runde zeigen sich die Protagonisten gereizt. Heiner Geißler: „Mir reicht’s bald“

„Sie müssen Ihre Karten offenlegen!“

HEINER GEISSLER, SCHLICHTER

STUTTGART taz | Statt einer Schlichtung hat es beim fünften Gespräch über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 am Freitag zunächst einen neuen Streit gegeben: Die Projektgegner pochten darauf, dass alle relevanten Unterlagen und Gutachten offen gelegt werden. Dabei ging es ihnen vor allem um Gutachten über geologische Risiken, die in 300 Aktenordnern in einem verschlossenen Raum in Frankfurt am Main liegen. Da das Bahnprojekt mehrere Tunnelbauten beinhaltet, spielt die Geologie eine wichtige Rolle.

Die Deutsche Bahn (DB) gestattete dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 den Zutritt zu diesem Raum, allerdings ohne die Erlaubnis, handschriftliche Aufzeichnungen zu machen. „Das ist dann doch für die Katz“, sagte die Landesvorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND, Brigitte Dahlbender. So könne man die Unterlagen nicht auswerten. Die Bahn argumentiert damit, dass eine Veröffentlichung der Unterlagen Ausschreibungsverfahren beeinflusse. Doch auch der Schlichter Heiner Geißler (CDU) gab sich damit nicht zufrieden. „Sie müssen doch der Öffentlichkeit gegenüber die Karten offen legen, ob es Gefahren gibt“, sagte Geißler mit Blick auf die Befürworter des Bahnprojekts.

So erhitzte diese Debatte gleich zu Beginn der Schlichtung die Gemüter. Nicht nur Landesverkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) wirkte schnell gereizt. Auch Geißler wurde deutlich: „Mir reicht’s bald. So können wir nicht weitermachen.“

Ohne eine wirkliche Klärung ging es dann mit der Diskussion über die ökologischen Auswirkungen des Projekts weiter. Durch Stuttgart 21 und einer daraus resultierenden Verlagerung von der Straße auf die Schiene würden etwa 177.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) pro Jahr eingespart, erklärte der Leiter der Abteilung für Nachhaltigkeits- und Umweltinformation der Deutschen Bahn, Peter Westenberger.

Diese Zahl fochten die Projektgegner nicht an. Der Energiewissenschaftler Joachim Nitsch kritisierte jedoch fehlende Punkte für eine Gesamtbilanz. So müsse berücksichtigt werden, dass für die Errichtung der Infrastruktur und deren Unterhalt die ökologische Belastung bei Stuttgart 21 wesentlich größer sei als beim Bau „üblicher“ ICE-Strecken, vor allem wegen des hohen Tunnelanteils. Auch widerspreche Stuttgart 21 dem Energiekonzept der Bundesregierung, weil dadurch weniger Geld für den notwendigen Ausbau des Schienengüterverkehrs zur Verfügung stünde. Gerhard Pfeifer vom BUND kritisierte zudem, dass Trockenbiotope und Frischluftschneisen zerstört würden, wenn das Gleisvorfeld des Bahnhofs unter der Erde verschwinde und die frei werdenden Flächen zugebaut würden. Derweil gab die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche bekannt, dass Geißler zusammen mit zwei Journalisten für seine Analysen zu Stuttgart 21 den Leuchtturm-Preis erhalte.NADINE MICHEL