Millionärssteuer für die Armen

Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose greift Tabu-Thema „Reichtum“ auf. Er will die Vermögenssteuer wieder einführen. Dadurch könnten jährlich 432 Millionen Euro in Hamburgs Stadtkasse fließen

Von KAI VON APPEN

Die Problematik ist nicht neu, aber aktueller denn je: Grund für Hamburgs ver.di-Landeschef, Wolfgang Rose, erneut einen Versuch zu unternehmen, dass mediale Tabu-Thema „Reichtum“ in den Fokus zu rücken und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) an sein Versprechen einer „Neuorientierung der Sozialpolitik“ und den Artikel 14 des Grundgesetzes zu erinnern, nach dem Eigentum verpflichtet. „Hamburg ist die Stadt der meisten Millionäre und die Stadt der meisten Armen“, konstatiert der Gewerkschaftschef: „Wir leben in einer gespaltenen Stadt, und die Spaltung wächst.“

Eine Steilvorlage bekommt Rose ausgerechnet vom Manager Magazin. Im Sonderheft Oktober listet das Wirtschaftsmagazin die 300 reichsten Deutschen auf. 36 von ihnen leben in Hamburg und verfügen zusammen über ein Vermögen von 43,2 Milliarden Euro. Allein Hamburgs zehn Reichste – davon neun Milliardäre – besitzen 28,45 Milliarden Euro Vermögen.

Dem stehen mittlerweile 200.000 Empfänger von Hartz IV gegenüber, die mit 345 Euro plus „angemessenen“ Unterkunftskosten auskommen müssen. 40.000 Menschen sind Langzeitarbeitslose, 100.000 Haushalte überschuldet. Nirgendwo gebe es „so viele Superreiche, während die Armut wächst“, mahnt Rose. „In Hamburg gibt es nicht Armut trotz des Reichtums, sondern wegen des Reichtums.“

Für Rose ist daher die „Unterschichtdebatte“ begrifflich deplatziert, da sie von „Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den Betroffenen“ geprägt sei. Denn Armut, Hoffnungslosigkeit und das Abdriften ganzer Bevölkerungsschichten hätten ihre Ursache vor allem in der ungleichen Verteilung von Einkommen, Vermögen, Arbeit und Lebenschancen. Daher plädiert Rose für eine gerechte Besteuerung der Vermögenden.

Allein wenn die zehn Reichsten, darunter die Familien Otto, Herz, Heinz Bauer und Friede Springer, mit nur einem Prozent Vermögenssteuer zur Kasse gebeten würden, kämen laut Rose jährlich 285 Millionen Euro in die Stadtkasse, bei allen 36 Reichen lägen die Haushaltsmehreinnahmen bei 432 Millionen Euro. „Das würde ihre Vermögen nicht schmälern, bestenfalls fällt der Vermögenszuwachs geringer aus“, rechnet Rose.

Mit seinem Vorstoß möchte der Gewerkschaftschef keine neue „Neiddebatte“ initiieren, beteuert er: „Reichtum ist keine Schande.“ Aber Reichtum in einem Gemeinwesen sollte nicht die Armut verstärken, sondern dazu beitragen, die Armut zu bekämpfen. „Wenn das Vermögen der sieben Reichsten in Hamburg das Zweifache des Stadthaushaltes ausmacht“, beschwört der ver.di-Chef, „ist es Pflicht der Gewerkschaften, die stärkere Beteiligung der Vermögenden an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben einzufordern.“

Daran ändert für Rose nichts, dass viele Millionäre großzügige „Spender, Stifter und Mäzene“ seien. „Mäzenatentum ersetzt jedoch keine Steuergerechtigkeit.“ Mancher der Reichen wisse, dass ohne eine intakte und solidarische Gesellschaft eine Stadt nicht lebenswert sei. Rose erinnert daran, dass selbst Vermögende wie der Reeder Peter Krämer sich bei einer Unterschriftenaktion unter Millionären für die Wiedereinführung der 1996 von der CDU/FDP-Regierung abgeschafften Vermögenssteuer stark gemacht hat.

Der Bürgermeister hält nichts von Roses Idee. Er setzt auf „Steuerverlässlichkeit“. Man könne nicht, findet von Beust, „alle paar Monate eine neue steuerpolitische Sau durchs Dorf treiben“.